Toedliche Verfolgung
Lissa wenige Minuten später wieder auftauchte, lief er schon ungeduldig im Zimmer auf und ab.
»Womit hast du dir eigentlich gestern die Zähne geputzt?«
Jack blickte sie einen Moment lang nur an. »Mit deiner Zahnbürste. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.«
»Mit meiner?« Lissa schlug die Hand vor den Mund. »Igitt! Das ist doch nicht dein Ernst, oder?«
Jack begann zu lachen. Ihr Gesichtsausdruck war wirklich sehenswert. »Nein, das war ein Scherz. Im Schrank war eine Zahnbürste vom Motel.«
Lissa ließ langsam die Hand sinken. »Oh, gut.« Ihr Mundwinkel hob sich. »Das war nicht lustig. Es gibt kaum etwas Ekligeres, als dass jemand meine Zahnbürste benutzt.«
Jack blickte zu Boden. Und er konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als von anderen abhängig zu sein. Aber genau das war er im Moment. Von Lissa, den Truckern, die ihn anriefen und über den Aufenthaltsort seines Trucks unterrichteten, sogar von der Großzügigkeit des Motels, was Hygieneartikel betraf. Wenn er diesen elenden Kerl erwischte, der den Truck geklaut hatte … Bevor er ihn der Polizei übergab, würde er ihn sich erst einmal selbst zur Brust nehmen. Wortlos drehte er sich um und verschwand im Bad.
Fünf Minuten später fuhren sie bereits die schwach beleuchtete Auffahrt zum Highway hinauf. Jack unterdrückte ein Stöhnen, als sich seine schmerzenden Muskeln sofort wieder bemerkbar machten. Der Fahrtwind zerrte an seinen Haaren und seiner Kleidung. Nur gut, dass es hier in der Gegend auch nachts nicht wesentlich kühler wurde, in seinem ärmellosen Shirt wäre er so früh am Morgen sicher erfroren. Er klammerte sich an Lissas warmen Körper, während sie viel zu schnell die Kurve nahm und bereits nach wenigen Sekunden auf dem Highway auf 75 Meilen beschleunigte. Die Dunkelheit half ihnen vielleicht dabei, von der Polizei nicht entdeckt zu werden. Lissa hatte ihre dunkle Sonnenbrille gegen die ungetönte Schutzbrille getauscht, deshalb musste er ohne Brille auskommen, bis es hell genug war. Jack presste sein Gesicht dicht an ihren Nacken, um sich vor dem Fahrtwind und Insektenbeschuss zu schützen. Tief atmete er Lissas unverwechselbaren Duft ein. Die Vorstellung, sich vielleicht schon bald von ihr trennen zu müssen, verursachte ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Brust.
8
Erste Sonnenstrahlen zauberten rote Spuren auf die glatte Fahrbahn, als sie vom Highway auf die Umgehungsstraße nach Las Cruces abbogen. Nicht mehr lange, und die Sonne würde wieder vom Himmel brennen und den Aufenthalt im Freien ungemütlich werden lassen. Trotzdem hätte Lissa diese Zeit in der Freiheit für nichts in der Welt eingetauscht. Hier draußen hatte sie das Gefühl, direkt mit der Natur verbunden zu sein, sich im Einklang mit ihr zu bewegen. Und natürlich gab es nichts Besseres, als das Vibrieren der kraftvollen Harley unter sich zu spüren.
Ihre Begegnung mit Jack Tease war nur ein Zufall gewesen, aber jetzt, wo ihre gemeinsame Zeit vielleicht schon kurz vor dem Ende stand, war sie seltsam unwillig, ihn so schnell wieder zu verlieren. Natürlich war ihr von vorneherein klar gewesen, dass er weiterziehen würde, sobald er seinen Truck gefunden hätte, aber sie hatte sich doch daran gewöhnt, seinen Körper dicht an ihrem zu spüren – seine warmen Hände an ihrer Taille, seinen Atem in ihrem Nacken. Ganz zu schweigen von den Momenten, in denen sie kurz davor gewesen waren, sich zu küssen. Sogar die seltsamen knackenden Geräusche, die er im Schlaf von sich gab, hatten sie nicht gestört.
Lissa zuckte zusammen, als Jack plötzlich ihren Arm drückte. Für einen Moment verriss sie den Lenker, bevor sie die schwere Maschine wieder unter Kontrolle brachte. Sie drosselte den Motor und lenkte die Harley auf den unasphaltierten Parkplatz, auf den Jack deutete. Die riesige, mit rötlichem Sand und tiefen Schlaglöchern bedeckte Fläche war leer. Sollte der Truck hier gestanden haben, war er jetzt jedenfalls verschwunden. Lissa beobachtete, wie Jack mit steifen Bewegungen vom Motorrad abstieg und langsam über den Platz ging. Sein gesenkter Kopf zeigte seine Enttäuschung. Mit geübten Bewegungen stellte Lissa den Motor ab und klappte den Seitenständer aus. Die plötzliche Stille schien erdrückend.
»Ist das hier wirklich der richtige Parkplatz? Vielleicht gibt es noch andere in der Gegend.«
Jack schaute vom Boden auf, wo er hockte und etwas untersuchte. »Ja. Es müsste dieser gewesen sein.« Er fuhr mit den Fingern eine Linie entlang.
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