Toedliche Verfolgung
»Siehst du diese Reifenspuren hier?«
Neugierig trat Lissa näher. Die Augen zusammengekniffen beugte sie sich hinunter. »Ja, und?«
»Das war mein Truck.«
Skeptisch blickte sie auf die breiten Reifenspuren, die sich über mehrere Meter durch den Sand zogen. Für Lissa hätte das jeder beliebige Lastwagen sein können. »Bist du sicher?«
»Sofern mein Truck keinen Zwilling hat, dann war er es. Siehst du diesen merkwürdigen Kreis am inneren Doppelreifen? Das ist ein Fehler im Material. Ich habe den Reifen selbst vor einigen Wochen montiert.«
»Aber du kannst nicht zufällig auch spüren, wie lange er schon weg ist, oder?«
Jack erhob sich in einer fließenden Bewegung, wischte die Hände an der Jeans ab und sah zum Motorrad hinüber. Er ignorierte die Ironie. »Leider nicht.«
»Warum stehen wir dann hier herum? Vielleicht ist dein Fahrzeug noch irgendwo in der Nähe, und wir erwischen den Dieb.«
»Du hast recht.«
Schweigend kehrten sie zur Harley zurück. Bevor Lissa sich auf den Sitz schwingen konnte, hielt Jack sie am Arm zurück. »Danke.«
»Wofür?«
»Dass du mir glaubst und hilfst, meinen Truck wiederzubekommen.« Sein Mundwinkel zuckte. »Und dass du mich davon abhältst, aufzugeben.«
»So ein Wort kenne ich überhaupt nicht. Und du auch nicht, schätze ich.« Lächelnd bedeutete sie Jack, sich umzudrehen. »Ich brauche meine Sonnenbrille bevor wir weiterfahren.«
»Und dabei stand dir die Schutzbrille doch so gut.«
»Übertreib es nicht, sonst rutschst du noch auf deiner Schleimspur aus.«
Belustigt lachte Jack auf. Lissas Mundwerk war nicht zu übertreffen. Erstaunlicherweise mochte er genau das an ihr: ihre Frische, ihre Natürlichkeit und ihre Respektlosigkeit. Sie nahm wirklich kein Blatt vor den Mund.
Wer wusste, was sie sonst noch alles mit diesen großzügigen Lippen anstellen konnte.
Jack schloss die Augen und atmete tief durch.
Lissa wechselte in Rekordzeit die Brille, reichte ihm die Schutzbrille und bestieg dann das Motorrad. »Alles bereit.«
Jack nahm das als sein Stichwort und kletterte eilig hinter ihr auf die Sitzbank. Kurze Zeit später waren sie bereits wieder auf der Umgehungsstraße unterwegs. Je näher sie der Stadtgrenze kamen, desto mehr Fahrzeuge kamen ihnen entgegen, der morgendliche Berufsverkehr hatte eingesetzt. Die Wahrscheinlichkeit, den Truck in diesem Gewimmel zu finden, wurde mit jeder Minute geringer.
»Wie sieht er überhaupt aus?« Lissas Stimme war über dem Lärm des Motors kaum zu verstehen.
Jack beugte sich dicht zu ihrem Ohr. »Groß. Zugmaschine und Anhänger blau. Kennzeichen aus Kalifornien. Am Fahrerhaus der silberne Schriftzug ›J . T.’s Spedition‹.«
»Na, der sollte leicht zu entdecken sein.«
Jack wusste nicht, ob sie das scherzhaft oder ernst meinte. Auf jeden Fall würde er seinen Truck sofort erkennen, sogar mit geschlossenen Augen, wenn es sein musste. Es reichte, wenn er danach Ausschau hielt, Lissa würde sowieso zu sehr mit dem Verkehr beschäftigt sein, um ihm dabei helfen zu können. Langsam fuhren sie die Main Street der Universitätsstadt Las Cruces entlang, achteten auf jede Tankstelle, jeden Schnellimbiss, Supermarkt und Parkplatz. Auch auf einigen der Nebenstraßen und in den Vororten suchten sie nach dem gestohlenen Lastwagen, aber vergebens. Entmutigt gaben sie schließlich auf. Es brachte nichts, hier weiter die Zeit zu vertrödeln. Wahrscheinlich wäre es besser, zur Interstate zurückzukehren und darauf zu hoffen, dass der Dieb in die gleiche Richtung fuhr wie sie. Lissa unterbrach seine Gedanken.
»Das Telefon vibriert. Zieh es aus meiner Hose, ich habe gerade keine Hand frei.«
Jack musste grinsen. Er hatte zwar schon hin und wieder Frauen in die Hose gefasst, aber nie, um ein Handy herauszuholen. Langsam schob er seine Hand in ihre Jeans, streifte Haut, etwas, das sich verdächtig wie Spitze anfühlte, und schließlich – endlich – das Telefon. Lissa zuckte zusammen, als seine Finger erneut ihre Haut berührten. Jack biss die Zähne aufeinander und zog rasch das Handy heraus. Während das Motorrad langsam auf dem unbefestigten Seitenstreifen ausrollte, hielt Jack das Handy ans Ohr.
»Ja?« Zuerst hörte er nur Rauschen, dann wurde die Verbindung langsam klarer. Als die Harley endlich stand, sprang Jack von der Maschine und entfernte sich einige Schritte, damit er sich darauf konzentrieren konnte, was ihm der Trucker am anderen Ende zu sagen hatte. Schließlich beendete er befriedigt das
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