Tödliche Versuchung
haben Ihren Gerichtstermin nicht wahrgenommen. Wir hätten gern, dass Sie einen neuen vereinbaren.«
»Ach so. Klar. Machen Sie ruhig einen neuen Termin aus.«
»Ich muss Sie bitten, deswegen mit mir in die Stadt zu fahren.«
Er sah an mir vorbei, hinüber zu der Windmaschine. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich mich da rein setze.«
»Eigentlich doch.«
»Da käme ich mir ja wie ein Idiot vor. Was sollen die Leute denken?«
»Hören Sie, Freundchen, wenn ich damit fahren kann, dann können Sie das auch.«
»Ihr Frauen seid doch alle gleich«, sagte er. »Ihr meint, ihr braucht nur mit den Fingern zu schnippen, und schon tanzen die Männer nach eurer Pfeife.«
Ich fasste in meine Umhängetasche und kramte nach dem Reizgas.
»Warten Sie hier«, sagte Munson. »Ich hole mein Auto. Es steht hinterm Haus. Ich habe nichts dagegen, einen neuen Termin zu vereinbaren, aber ich setze mich nicht in diese Kifferkarre da. Ich komme mit meinem eigenen Wagen und folge Ihnen.« Knall. Die Tür fiel ins Schloss.
Verdammte Scheiße. Ich stieg ins Auto, ließ den Motor an und wartete im Leerlauf auf Munson. Ich fragte mich, ob ich ihn überhaupt je wieder sehen würde. Ich schaute auf die Uhr. Ich gab ihm fünf Minuten. Was dann? Sollte ich das Haus stürmen? Die Tür aufbrechen und mit der Pistole in der Gegend herumballern? Ich sah in meiner Tasche nach. Es fand sich keine Pistole. Auch das noch! Ich hatte meine Pistole vergessen! Da konnte ich auch gleich nach Hause fahren und Munson mir für später aufheben.
Ich schaute nach vorne. Ein Auto bog um die Ecke. Es war Munson. Schöne Überraschung, dachte ich. Siehst du, Stephanie, du sollst nicht immer so vorschnell über deine Mitmenschen urteilen. Manchmal erweisen sie sich als ganz anständig. Ich legte den Gang ein. Munsons Auto kam näher. Schreck lass nach! Er gab Gas statt abzubremsen! Ich sah sein Gesicht, verkniffen vor Konzentration. Der Verrückte wollte mich rammen! Ich haute den Rückwärtsgang ein und drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Der Rolls machte einen Hopser nach hinten. Es reichte nicht, um einer Kollision auszuweichen, aber es reichte, um wenigstens einen Totalschaden abzuwenden. Mein Kopf klappte bei dem Aufprall nach vorn. Nicht der Rede wert. Wer in unserem Viertel aufgewachsen ist, dem macht so was nichts aus. Wir haben schon als Kinder in den Vergnügungsparks an der Küste von New Jersey Autoskooter fahren gelernt. Wir können was vertragen.
Das Problem hierbei war nur, dass sein Auto größer war als meins. Er rammte mich mit einem Gefährt, das mir ganz nach einem ausgemusterten Polizeiwagen aussah. Ein Crown Victoria. Jetzt kam er wieder auf mich zugerast, schob mich drei Meter rückwärts, worauf der Motor meiner Silberwindmaschine absoff. Während ich versuchte, erneut zu starten, kletterte Munson aus seinem Wagen und ging mit einem Wagenheber auf mich los. »Sie wollen, dass ich nach Ihrer Pfeife tanze?«, brüllte er. »Können Sie haben!«
Hier schien sich offenbar ein für ihn typisches Verhaltensmuster abzuzeichnen. Erst den Gegner mit dem Wagen rammen, dann mit einem Reifenheber auf ihn einschlagen. Ich wollte mir lieber nicht ausmalen, was nach dem Reifenheber dran war. Der Rollsmotor sprang an und ich machte einen Satz nach vorne, wobei ich Munson knapp verfehlte.
Er schwang den Reifenheber und erwischte nur noch die hintere Stoßstange. »Ich hasse Sie!«, schrie er. »Ihr Frauen seid doch alle gleich!«
Ich brauchte einige hundert Meter, um von null auf hundert zu beschleunigen und legte mich auf zwei Rädern in die Kurve. Ich sah mich auf dem ersten halben Kilometer nicht um, und als ich mich endlich traute, war niemand mehr hinter mir. Ich zwang mich, den Fuß etwas vom Gaspedal zu nehmen und atmete mehrmals tief durch. Mein Herz pochte wie wahnsinnig, und meine Hände klammerten sich wie in einem Todesgriff ans Steuerrad, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Ein McDonalds-Restaurant tauchte unvermutet vor mir auf, und wie von allein bog die Silberwindmaschine in die Spur zum Autoschalter. Ich bestellte einen Milkshake Vanille und fragte den Jungen hinterm Schalter, ob sie noch Mitarbeiter suchten.
»Klar«, sagte er, »wir suchen immer Mitarbeiter. Möchten Sie ein Bewerbungsformular?«
»Passieren hier oft Überfälle?«
»Oft nicht«, sagte er und reichte mir das Bewerbungsformular zusammen mit dem Strohhalm. »Es sind schon mal ein paar Ausgeflippte unter den Gästen, aber meistens kann man sie
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