Tödliche Versuchung
Laufende Ermittlungen.
»Das ist noch nicht alles«, sagte Grandma. »Er hat seine Frau betrogen. Er war ein echtes Schwein. Sein Bruder soll genauso schlimm sein. Er lebt in Kalifornien, aber hier unterhält er ein Haus, damit er sich heimlich mit anderen Frauen treffen kann. Die ganze Familie ist von Grund auf verdorben, wenn ihr mich fragt.«
»Der muss ja ziemlich reich sein, wenn er sich zwei Häuser leisten kann«, sagte Myron. »Wenn ich so reich wäre, würde ich mir auch eine Freundin gönnen.«
Allgemeines Schweigen. Die Tischrunde fragte sich, was Landowsky wohl mit einer Freundin anfangen würde.
Er langte nach der Schüssel mit dem Kartoffelpüree, aber sie war leer.
»Gib her. Ich fülle nach«, sagte Grandma. »Ellen hält in der Küche immer noch einen Rest warm.«
Grandma nahm die Schüssel und taperte in die Küche. »Oh, oh«, sagte sie, und die Küchentür schlug zu.
Meine Mutter und ich standen beide gleichzeitig auf um nachzuschauen. Grandma stand mitten im Raum und starrte den Kuchen auf dem kleinen Küchentisch an. »Zuerst die schlechte Nachricht: Bob hat den Kuchen angefressen«, sagte Grandma. »Jetzt die gute: Aber er hat nur den Zuckerguss auf einer Seite abgeleckt.«
Ohne zu zögern, holte meine Mutter ein Buttermesser aus der Besteckschublade, kratzte etwas Zuckerguss von der obersten Schicht ab, schmierte ihn auf die Seite, die Bob kahl geschleckt hatte und bestreute danach den ganzen Kuchen mit Kokosflocken.
»Kokosnusskuchen haben wir lange nicht mehr gehabt«, sagte Grandma. »Der sieht wirklich schön aus.«
Meine Mutter stellte den Kuchen auf den Kühlschrank, außer Reichweite von Bob. »Als du noch klein warst, hast du auch immer den Zuckerguss abgeleckt«, sagte sie zu mir. »Früher gab es oft Kokosnusskuchen bei uns.«
Morelli sah mich fragend an, als wir aus der Küche kamen.
»Keine Fragen«, sagte ich. »Und nicht die Kruste von dem Kuchen essen!«
Der Parkplatz hinterm Haus war fast voll besetzt. Die Rentner waren alle daheim und hockten friedlich vorm Fernseher.
Myron hielt seine Wohnungsschlüssel bimmelnd vor Grandmas Nase. »Wie war’s mit einem Schlummertrunk bei mir, meine Süße?«
»Ihr Männer seid doch alle gleich«, sagte meine Großmutter. »Immer nur das eine im Kopf.«
»Was denn?«, wollte Myron wissen.
Grandma verzog leicht die Lippen. »Wenn ich dir das erklären muss, hat es keinen Sinn, auf einen Schlummertrunk mit rauf zu kommen.«
Morelli brachte Grandma und mich bis vor die Wohnungstür. Er schloss Grandma auf und zog mich zur Seite. »Du kannst zu mir nach Hause kommen.«
Es klang sehr verlockend, und nicht einmal aus dem Grund, auf den Morelli spekulierte. Ich kroch auf dem Zahnfleisch, und außerdem schnarchte Morelli nicht. Endlich einmal richtig ausschlafen. Ich hatte seit Urzeiten nicht mehr durchgeschlafen. Ich konnte mich schon gar nicht mehr an das Gefühl erinnern.
Seine Lippen streiften meinen Mund. »Grandma hätte sicher nichts dagegen. Sie hat ja Bob.«
Acht Stunden, dachte ich. Acht Stunden Schlaf, mehr wollte ich gar nicht. Danach wäre ich so gut wie ausgewechselt.
Seine Hand glitt unter meinen Pullover. »Es wird eine unvergessliche Nacht.«
Eine Nacht ohne geifernde, messerschwingende Pyromanen. »Es wäre himmlisch«, sagte ich und merkte gar nicht, dass ich laut vor mich hin redete.
Er stand so dicht vor mir, dass ich jedes Körperteil von ihm spüren konnte. Eines dieser Körperteile schwoll an. Normalerweise löste das eine entsprechende Reaktion in meinem eigenen Körper aus. Heute Abend dagegen konnte ich darauf verzichten. Trotzdem, wenn das der Preis war, den ich für anständigen Schlaf zahlen musste, dann sollte es eben sein.
»Ich husche nur eben rein und hole ein paar Sachen«, sagte ich zu Morelli und stellte mich schon in einem warmen Baumwollnachthemd gemütlich in seinem Bett liegend vor. »Und ich muss Grandma Bescheid sagen.«
»Aber nicht, dass du reingehst und hinter dir die Tür zumachst und mich hier draußen stehen lässt!«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Ich weiß auch nicht. Nur so ein Gefühl…«
»Kommt doch rein«, rief Grandma. »Im Fernsehen läuft eine Sendung über Krokodile.« Sie legte den Kopf schief. »Was ist denn das für ein Geräusch? Hört sich an wie eine Grille.«
»Scheiße«, sagte Morelli.
Wir beide wussten, was es für ein Geräusch war. Sein Pager. Morelli gab sich alle Mühe, es zu überbrücken.
Ich gab als Erster auf. »Früher oder später musst
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