Tödliche Versuchung
aufwärts«, sagte sie. »Damenhandtaschen, Dessous.« Sie beugte sich über ihre Gehhilfe und sah mich an. »Oje«, sagte sie. »Der Schönheitssalon befindet sich im ersten Stock.«
»Wie praktisch«, sagte ich. »Da wollte ich gerade hin.«
In der Wohnung war es ruhig, die Gästedecken lagen gefaltet und gestapelt auf dem Sofa. An einem der Kopfkissen steckte ein Zettel. Nur zwei Worte standen auf dem Fetzen Papier. »Bis später.«
Ich schleppte mich ins Badezimmer, zog mich aus und wusch mir die Haare, mehrmals hintereinander. Dann zog ich mir frische Kleider an, trocknete mir das Haar mit einem Föhn und band es zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ich rief Morelli an, um mich nach Bob zu erkundigen, und Morelli sagte, es ginge ihm gut, sein Nachbar passe gerade auf den Hund auf. Danach ging ich in den Keller und bat Dillan, mit seiner Heckenschere die Kette an den Handschellen durchzutrennen, damit der zweite Ring nicht immer so herabbaumelte.
Jetzt gab es nichts mehr für mich zu tun. Keine NVGler jagen. Keinen Hund ausführen. Keinen Verdächtigen beschatten. Kein Einbruch in ein Haus. Ich hätte zu einem Schlosser gehen können, um den Handschellenreif öffnen zu lassen, aber ich hegte immer noch die Hoffnung, von Ranger den Schlüssel zu bekommen. Heute Abend wollte ich Ranger an Joyce ausliefern. Lieber Ranger an Joyce ausliefern, als noch einmal auf Carol einzureden. Ihre Brückennummer wurde langsam ein alter Hut. Ranger auszuliefern war ein Kinderspiel. Ich brauchte nur ein Treffen mit ihm zu arrangieren, ihm sagen, ich wäre gern die Handschellen los, und schon würde er antanzen. Dann würde ich ihn mit der Schreckschusspistole niederstrecken und ihn zu Joyce schaffen. Nachdem ich ihn Joyce übergeben hätte, würde ich natürlich irgendwas ganz Gemeines machen und ihn wieder retten. Auf jeden Fall würde ich es niemals zulassen, dass Ranger ins Gefängnis geworfen würde.
Da also bis zu Abend nichts weiter auf der Tagesordnung stand, dachte ich, könnte man doch mal den Hamsterkäfig ausmisten, und danach gleich den Kühlschrank auswischen. Vielleicht würde ich sogar die Kontrolle über mich verlieren und mich dazu hinreißen lassen, das Badezimmer zu putzen… na gut, das war eher unwahrscheinlich. Ich kippte die Suppendose um, in der Rex hauste und brachte ihn in meinem großen Spagettitopf auf der Ablage in der Küche unter. Er blinzelte mit den Augen und wunderte sich über die plötzliche Helligkeit um ihn herum. Er war sauer, dass ich ihn in seinem Schlaf gestört hatte.
»Tut mir Leid, mein Kleiner«, sagte ich. »Ich muss mal deine Hazienda auskehren.«
Zehn Minuten später war Rex wieder in seinem Käfig untergebracht und völlig hektisch, weil alle seine vorher sorgfältig vergrabenen Schätze jetzt in einem großen schwarzen Müllbeutel steckten. Ich gab ihm eine geknackte Walnuss und eine Rosine zum Trost. Er nahm die Rosine gleich mit in seine neue Suppendose, danach bekam ich ihn nicht wieder zu Gesicht.
Ich schaute aus dem Wohnzimmerfenster nach unten auf den regennassen Parkplatz. Immer noch kein Zeichen von Habib und Mitchell. Die Autos gehörten alle den Hausbewohnern. Sehr schön! Endlich konnte ich meinen Müll entsorgen. Ich zog mir die Jacke über, nahm den Hamsterstreu und eilte nach draußen in den Hausflur. Mrs. Bestier stand immer noch im Aufzug. »Ah! Jetzt sehen Sie schon viel hübscher aus, meine Liebe«, sagte sie. »Es geht doch nichts über eine Wohlfühlstunde im Schönheitssalon.« Die Aufzugtüren öffneten sich zur Eingangshalle, und ich trat heraus. »Fahrt aufwärts«, trällerte Mrs. Bestier. »Herrenbekleidung, zweiter Stock.« Und die Türen schlössen sich wieder.
Ich durchquerte die Eingangshalle zum Hinterausgang und blieb einen Moment stehen, um mir die Kapuze überzuziehen. Es fiel ein gleichmäßiger Regen. Das Wasser auf der schimmernden Asphaltdecke sammelte sich in Pfützen und tropfte von den blank polierten Autos der alten Herrschaften aus meinem Haus. Ich trat nach draußen, senkte den Kopf und rannte über den Platz zum Müllschlucker.
Dort schleuderte ich den Beutel in den Eimer, drehte mich um und stand mit einem Mal Habib und Mitchell gegenüber. Sie trieften vor Nässe, und liebenswürdig sahen sie auch nicht aus.
»Wo kommen Sie denn her?«, fragte ich. »Ich habe Ihren Wagen gar nicht gesehen.«
»Der steht in einer Nebenstraße«, sagte Mitchell und ließ seine Pistole sehen. »Da wollten wir gerade mit Ihnen hin. Also los,
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