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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Sanders’ mutmaßlichen Fuchsbau in ein paar Stunden finden zu können. Bevor irgendjemand sein Fehlen bemerkte, würde er schon wieder zurück sein. Er würde den Flüchtigen festnehmen und damit zugleich seine Selbstachtung zurückgewinnen. Dann würde ihm seine Eigenwilligkeit wegen des glanzvollen Erfolgs vergeben werden. Carol würde sich gezwungen sehen, seine Fähigkeiten anzuerkennen, wenn er Nick Sanders noch vor dem Abend brachte.
    Aber es wurde hier oben auch früher dunkel. Es war noch mitten am Nachmittag, und schon spürte er, wie das Zwielicht ihn umschloss. Er hätte Glück, wenn er es vor Einbruch der Dunkelheit nach Achmelvich schaffte, aber auf gar keinen Fall zurück nach Bradfield. Er wünschte, er hätte eine Taschenlampe mitgenommen. Denn ihm schwante, dass Achmelvich nicht gut mit Straßenbeleuchtung ausgestattet sein würde. Wenn er überhaupt noch einmal auf etwas wie Zivilisation stoßen sollte, würde er anhalten und sich mit dem Nötigsten versorgen.
    Er fragte sich, ob es hier oben Schokolade gab.

    Tony hatte aus gutem Grund den Schreibtisch von Kevin Matthews gewählt, denn Carol konnte von ihrem Platz aus nicht sehen, was er dort tat. Sie war immer noch am Telefon, was ihm die Gelegenheit gab, die Seiten des Telefonbuchs durchzublättern. Mit einem Ohr lauschend fuhr er mit dem Finger an einer Reihe von Namen entlang. Mein Gott, es wird immer schwerer, den kleinen Druck zu lesen, dachte er. Es wäre an der Zeit, zum Augenarzt zu gehen.
    Carol schien mit ihrem Anruf zu Ende zu kommen. »Ja, mir ist klar, dass jeder denkt, seine Anfrage sollte Vorrang haben. Aber ich habe hier eine Mitarbeiterin, die von einem Mörder entführt worden ist …« Eine Pause. »Gut, ich danke Ihnen.«
    Gerade noch rechtzeitig fand er, was er gesucht hatte. Er kritzelte es auf einen Zettel und steckte ihn in dem Moment in die Tasche, als Carol aus ihrem Büro trat und auf ihn zukam. »Hat Jan dich informiert?«, fragte sie.
    »Jan? Mich informiert?«, sagte er.
    »Brandon will ein Profil haben. Er hat in der Pressekonferenz um zwölf schon gesagt, er werde auf die Hilfe eines psychologischen Profilers zurückgreifen. Und die Zeitungen in der Region werden natürlich annehmen, dass du gemeint bist.«
    »Ach so, das. Stimmt. Ja, davon hat sie etwas gesagt«, antwortete er und merkte, dass er verwirrt klang, hoffte aber, dass Carol das seiner üblichen Zerstreutheit zuschreiben würde. »Ich nehme also an, du willst nicht, dass ich auf das zurückkomme, was wir gestern Abend besprochen haben?«, fragte er in der Hoffnung, sie von allem abzulenken, was an seinem Verhalten ungewöhnlich sein mochte.
    Carol zog die Augenbrauen hoch. »Nicht, wenn du möchtest, dass Brandon deine anderen Vorschläge ernst nimmt.«
    »Und du? Hast du darüber nachgedacht?«
    Carol fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sie sah kaputt und unzufrieden aus. »Ja, aber es scheint mich nicht weiterzubringen. Es tut mir leid, Tony, aber wenn du nichts Konkretes hast, kann ich mich jetzt nicht damit befassen.«
    Er stand auf. »Das geht in Ordnung. Ich verstehe. Ich fahre nach Hause. Da kann ich besser arbeiten.«
    »Gut, wir reden dann später«, sagte sie geistesabwesend. In Gedanken war sie schon bei der nächsten Sache, hatte den Telefonhörer am Ohr und die Finger auf den Tasten.
    Auf der Straße draußen nahm sich Tony ein Taxi. Er zog den Zettel aus der Tasche und gab dem Fahrer eine Adresse an. Dann ließ er sich in den Sitz zurücksinken und starrte in die Ferne.
    Er war so in seine Gedanken vertieft, dass er es nicht einmal bemerkte, als er laut vor sich hin zu sprechen begann. Auch der nervöse Blick das Fahrers in den Rückspiegel entging ihm. Es interessierte ihn einzig und allein, wie die Psyche des Mörders tickte.
    »Du hast nicht bekommen, was du wolltest«, murmelte er. »Die böse Fee hat dir bei der Taufe ein beschissenes Schicksal und dazu den Verstand mitgegeben, zu sehen, dass es beschissen war. Also hast du gelernt, wie man Macht an sich reißt und die eigene Schwäche versteckt. Du willst erst mal Vergeltung üben. Und deine Schwäche hinter einer vorgetäuschten Stärke verbergen. Aber früher oder später zeigen sich Risse. Du fängst an, selbst nicht mehr an deine Wirkung zu glauben. Du musst einen Weg finden, um dich wieder aufzubauen. Einen Weg, mit dem du mehr Macht an dich reißen kannst. Du wirst die Stimme.« Er nickte zufrieden. Das machte Sinn. Es beruhte auf einem logischen Zusammenhang. Auf einer

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