Toedliche Worte
die sie las, und erkannte in dem Mann, der gerade ins Einsatzzentrum trat, einen der Spezialisten für Fingerabdrücke. »Wir haben ein Resultat von AFIS«, sagte er.
»Wer ist es?«, fragte sie, stand auf und nahm dem Kriminaltechniker das Blatt aus der Hand. »Carl Mackenzie. Sechsundzwanzig. Besitz von Cannabis, Ecstasy, unsittliche Entblößung …«
»Ich kenne ihn, ein kleiner Straßendealer«, sagte Kevin. »Er ist oft in Stan’s Café.«
»Letzte bekannte Adresse: Wohnung Nr. 4, Grove Terrace 7, Bradfield«, sagte Carol. »Kommen Sie, Kevin, wir fahren los.« Sie drängte sich an dem Spezialisten vorbei und rief nach Merrick.
»Er ist weggegangen, um etwas zu schlafen«, erinnerte sie Kevin. »Ich könnte ihn auf dem Handy anrufen.«
Carol schüttelte den Kopf. »Schon gut. Stacey, holen Sie Ihren Mantel«, rief sie durch den Raum.
Der Kriminaltechniker stand auf der Schwelle von Carols Büro und sah sie weggehen. »Nett, dass ihr euch für die harte Arbeit bedankt, die die Kollegen reingesteckt haben«, bemerkte er sarkastisch.
Carol, Kevin und Stacey rannten polternd Hals über Kopf den Korridor entlang.
»Wir nehmen meinen Wagen«, rief Kevin. »Ich habe Blaulicht.«
Carol nickte zustimmend, als sie die Treppe hinunter- und auf den Parkplatz hinausrannten. Sie stürzten sich in Kevins Wagen, Carol riss das Handschuhfach auf und zog das Blaulicht heraus. Nachdem sie mit dem Stecker herumgefummelt hatte, schaffte sie es endlich, ihn in die Buchse für den Zigarettenanzünder zu stecken, machte das Fenster auf und brachte es auf dem Dach an.
Und schon steckten sie mitten in der Rushhour. Kevin drückte auf die Hupe, das Blaulicht blinkte, und die anderen Fahrer begriffen, dass sie zur Seite fahren mussten. Aber trotzdem kam es ihnen vor, als kämen sie nur entsetzlich langsam voran.
Carol kaute auf der Haut ihres Daumennagels herum. Bitte, lieber Gott. Lass uns Carl Mackenzie finden. Und bitte, lieber Gott, mach, dass er uns zu Paula führt.
Tony zahlte das Taxi und stand eine Weile vor dem Haus, um es auf sich wirken zu lassen. Es war ein modernes, allein stehendes Backsteinhaus, das zu einem deprimierend phantasielosen neuen Baugebiet am Rande der Innenstadt gehörte. Es nahm den mittleren Teil am Ende einer Sackgasse ein und bot so freie Sicht auf alle eventuell die Straße befahrenden Fahrzeuge. Das überraschte ihn keineswegs. Die Viper würde in jeder Hinsicht volle Kontrolle über ihre Umgebung haben müssen.
Jan Shields Haus war noch unpersönlicher als die Nachbarhäuser, wenn das überhaupt möglich war. Weiß gestrichen, weiße Haustür und Garagentür. Langweilige Steinplatten in der Einfahrt und auf dem Gartenweg. An den Rändern ein ordentlicher Rasen mit Büschen und Koniferen in regelmäßigen Abständen, alle übertrieben akkurat geschnitten. Alles war so, dass es Tony kein bisschen überraschte.
Er ging den Weg hinauf und probierte den Schlüssel für das Steckschloss. Zuerst ließ er sich nicht drehen, aber Tony wackelte ein bisschen daran herum, und der Riegel schnappte zurück. Der erste Sicherheitsschlüssel passte nicht, aber der zweite ließ sich leicht herumdrehen. Als er die Tür aufmachte, hörte er das schrille Geräusch einer Alarmanlage. Er sah sich nach dem Kasten mit dem Schalter um und entdeckte ihn schließlich hinter sich. Seine Glückssträhne war noch nicht zu Ende: Es war ein System, das sich mit einem Schlüssel abstellen ließ, bei dem keine Zahlenkombination eingegeben werden musste. Er fummelte mit feuchten Händen mit den beiden kleinen Schlüsseln herum, steckte den ersten ins Schloss und drehte ihn.
Sofort war wieder Stille. Tony wischte sich mit beiden Händen den Schweiß vom Gesicht und wandte sich um, damit er das Haus untersuchen konnte, das er für das Versteck der Viper hielt. Denn die bisherigen Beweise für seine Überzeugung waren nicht ausreichend, um einem Polizisten Eindruck zu machen. Er konnte sich Carols Gesicht vorstellen, wenn er sagen würde: »Es war die Art und Weise, wie sie über Macht und Schwäche sprach. Ihre Verachtung der Wehrlosen.« Und dann würde er auf Carols Gesicht sehen, wie sie zwischen dem Wunsch, ihm zu glauben, und dem Beharren auf greifbaren Beweisen schwankte. Eigentlich gab es noch etwas, aber das war genauso vage. Gleich von Anfang an hatte ihn das Durchschneiden des Kabels argwöhnisch gemacht. Wenn Paula es bemerkt hätte, hätte sie sofort alles in Bewegung gesetzt. Da sie es nicht bemerkt hatte,
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