Toedliche Worte
Aufgabe erledigen musste.
Wenn das dort im Haus also nicht die Kollegen waren, dann musste es Tony Hill sein. Heute Vormittag im Auto hatte sie irgendetwas gespürt, aber geglaubt, sie sei paranoid. Jetzt erwies sich im Nachhinein ihre instinktive Nervosität als berechtigt. Plötzlich kam ihr die Erkenntnis, dass er die Schlüssel an sich genommen und sie hatte nachmachen lassen. Sie fluchte leise. Das war es also gewesen. Sie war durchaus nicht zerstreut gewesen. Sondern er hatte sie reingelegt. Empörung kam in ihr hoch, und sie wusste, dass sie jetzt auf keinen Fall weglaufen würde. Niemand sollte sie zum Narren halten. Niemand.
Wenn es Hill war und er allein dort war, konnte sie das ganze Problem mit Raffinesse aus der Welt schaffen. Konnte ihn loswerden, ihre Souvenirs an einen anderen Ort bringen, wo niemand sie finden würde, und tiefe Reue über den Tod des Psychologen zeigen, den sie im Dunkeln für einen Einbrecher gehalten hatte. Sie würde höchstens zwei Jahre bekommen.
Wenn das klappen sollte, musste sie es jedoch so aussehen lassen, als sei sie wie immer nach Hause gekommen. Etwa dreißig Meter vom Haus entfernt schaltete sie das Licht aus, stellte den Motor ab und rollte wie auch sonst mit dem letzten Schwung in die Einfahrt. Sie stieg aus und schloss die Tür mit einem sehr leisen Klicken. Von der dunklen Einfahrt aus konnte sie die ganze Länge ihres Wohnzimmers überblicken.
Da war er, der dreiste Bastard. Saß an ihrem Esstisch und hatte den Laptop vor sich, als sei er Goldilocks und sie die drei Bären. Na ja, jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Sie würde vor nichts zurückschrecken.
Sie schlich hinten um das Haus herum, ging geduckt unter dem Esszimmerfenster vorbei und wühlte in ihrer Tasche nach dem Schlüssel für die Hintertür, den sie immer gesondert bei sich trug, für den Fall, dass sie die anderen Schlüssel verlor. Sie plante ja immer alles sorgfältig und hätte deshalb auch früher merken müssen, dass Carl nicht ihr einziges Problem war.
Sie steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn mit unendlicher Vorsicht. Kaum hörbar sprang das Schloss auf. Sie streifte ihre Schuhe ab, drückte den Griff herunter und machte ganz langsam die Tür auf. Behutsam schlüpfte sie durch den Spalt, blieb stehen und horchte. Sie fühlte sich wunderbar lebendig und erregt in der Gewissheit, dass sie die totale Kontrolle und er nicht den blassesten Schimmer hatte. Durch die halb offene Tür zwischen Küche und Essecke hörte sie das Klappern der Tasten und das Klicken der Maus.
Sie war so angespannt, dass sie zusammenzuckte, als seine Stimme die Stille unterbrach. »Wo bist du? Komm, sag’s mir. Wo bist du, Paula?« Ihr Herzschlag beruhigte sich wieder, als sie merkte, dass er zu dem Bild auf dem Monitor und nicht mit ihr sprach.
Sie holte tief, aber lautlos Luft. In dem matten Lichtschimmer, der von der Stadt her durch das Küchenfenster hereindrang, sah sie ihre gepflegte, sterile, moderne Küche. Eine der wenigen Frauen, die sie zum Sex mit nach Hause gebracht hatte, hatte gesagt, die Küche sehe aus, als würde hier fachkundig die Mikrowelle eingesetzt. Sie wurde kein zweites Mal eingeladen. Beim Herd stand ein Block mit selten benutzten Messern, die deshalb noch so gut wie neu und sehr scharf waren. Sie zog behutsam ein Tranchiermesser mit langer Klinge heraus und ging lautlos auf die Wohnzimmertür zu.
Carol stützte sich mit der freien Hand gegen die Wand, als wolle sie sich unbewusst gegen die Informationsflut schützen, die aus dem Hörer auf sie einstürzte. »Sind Sie sicher, Sam?«, sagte sie und wusste doch rein gefühlsmäßig, dass er recht hatte, dass Tony recht gehabt hatte und dass dies die schlimmste aller denkbaren Möglichkeiten für Paula McIntyre war. Diese Gewissheit setzte sich langsam in ihren Gedanken fest und stellte einen sinnvollen Zusammenhang zwischen all den losen Fäden her, die sie seit Tagen beunruhigt hatten.
»Ich bin so sicher, wie ich nur sein kann«, sagte Evans ernst.
»Wo ist sie jetzt?«, fragte Carol. Kevin hielt auf dem Weg ins untere Stockwerk an, bestürzt über den kummervollen Ausdruck ihres Gesichts und die deprimierte Hoffnungslosigkeit in ihrer Stimme.
»Ich weiß nicht, ich hab sie seit Stunden nicht mehr gesehen.«
»Wir müssen sie finden. Geht raus und seht zu, ob ihr sie aufspüren könnt. Fragt, wer sie gesehen hat. Aber gebt es nicht über Funk weiter, ist das klar?«
»Ja.«
»Gute Arbeit, Sam«, sagte Carol und wusste,
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