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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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einen ganzen Stoß Sachen bekommen. Sie haben eine ziemlich aufschlussreiche Festplatte von einem Typ auseinander genommen, den wir vor zwei Monaten verhaftet haben.« Sie schüttelte den Kopf. »Man würde ja meinen, ich wäre inzwischen an so was gewöhnt. Der Typ hat eine gehobene Stellung im Gesundheitswesen. Wenn man ein künstliches Hüftgelenk braucht oder ein Kniegelenk, dann ist er schuld an der langen Warteliste in Bradfield Cross. Hat ein ansehnliches Haus in einer schönen Wohngegend, seine Frau ist Lehrerin, und er hat zwei halbwüchsige Kinder. Und sein Computer ist eine verdammte Kloake. Ich war also dabei, diesen Unrat durchzugehen, und fand dies hier …« Sie schlug dramatisch ihren Aktenordner auf und zog den Ausdruck eines digitalen Fotos in der Größe eines DIN-A4-Blatts heraus, das sie an Carol weitergab. »Ich habe das Kind von der Berichterstattung in den Medien erkannt.«
    Carol betrachtete das Foto genau. Im Hintergrund war eine malerische Felsengruppe zu sehen. Auf der einen Seite hingen dünne Birkenzweige. Ein mageres Kind stand nackt und vornübergebeugt mitten im Bild. Es trug eine Harry-Potter-Brille, hatte hellbraune Haare und die Gesichtszüge, die sich Carol während der Lektüre eines ganzen Tages eingeprägt hatten. Es konnte kein Zweifel bestehen: Dies war Tim Golding. Sie spürte die vertraute Erregung, die eine frische Spur mit sich brachte, und hasste sich dafür. Über so etwas sollte man sich nicht freuen. Carol konnte das jetzt besser als jemals zuvor verstehen. »Gibt es noch mehr von diesen Bildern?«, fragte sie.
    Jan schüttelte den Kopf. »Ich habe das ganze Archiv durchsucht. Nichts.«
    »Was ist mit dem andern vermissten Jungen – Guy Lefevre?«
    »Das ist leider das einzige Bild. Und das heißt nicht, dass dieser hier der ist, den Sie suchen. Die kranken Kerle tauschen ja dauernd Bilder untereinander aus. Die Tatsache, dass es das einzige Bild von Tim Golding ist, bedeutet eigentlich eher, dass der, der das Foto aufgenommen hat, nicht die von mir gesuchte Person ist.«
    »Ich würde Ihnen eigentlich recht geben. Aber ich möchte trotzdem mit ihm reden.«
    Carol hielt Jans langem, taxierendem Blick stand. »Ich hätte jetzt gern die Akte und möchte gleich morgen früh im Vernehmungsbüro mit ihm sprechen. Wollen Sie das mit Ihrem Vorgesetzten abklären?«
    »Schon erledigt. Mein Chef sagt, es geht in Ordnung, dass Sie zuerst die Chance bekommen sollen, etwas herauszukriegen. Fullhouse schlägt Flush.«
    »Danke. Ich weiß das zu schätzen.« Carol schob das Foto wieder zu Jan hinüber. »Dieser Hintergrund – haben Sie irgendeine Idee, wo das sein könnte?« Sie zeigte auf die ungewöhnlichen Felsformationen.
    Jan schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich bin aus der Stadt. Ich krieg schon das Zittern, wenn ich weiter als fünf Meilen von Starbucks entfernt bin.«
    »Sieht ziemlich unverwechselbar aus, finde ich. Aber ich habe keine Ahnung, solche Steine könnte es von Land’s End bis John O’Groats geben.«
    »Ja. Aber es gibt nur einen Tim Golding.«
    Carol seufzte. »Das ist die falsche Zeit, glaube ich.«
    »Wie?«
    »Wenn ich mir das ansehe, glaube ich, wir sollten sagen, es gab nur einen Tim Golding.«

    Seine Hände sind feucht. Trotz der dünnen Talkumschicht in den Latexhandschuhen rutschen sie und verlieren den Halt. Dadurch ist die Vorbereitung schwierig. Eigentlich ist er nicht an Dinge gewöhnt, die eine feinere Motorik verlangen als das Rollen eines Joints. Als seine Finger danebengreifen und er sich mit einer Klinge durch den Handschuh hindurch einen Schnitt beibringt, flucht er laut über die Blutstropfen, die aus der Wunde austreten.
    Er ist froh, dass die Stimme nicht da ist und seine Pfuscherei mitbekommt. Und das erinnert ihn an etwas. Er hat Anweisungen für den Fall, dass irgendwo Blut draufkommt. »Leg alles weg, was auch nur die kleinste Blutspur aufweist. Ersetze alles und fang von vorne an. Wir wollen nur eine Sorte Blut. Nur ein Blut.« Die Worte gehen ihm durch den Sinn, und er tut wie geheißen. Er nimmt eine Seite der Abendzeitung und legt die blutige Klinge darauf. Dann zieht er die Handschuhe aus und legt sie dazu. Er hat kein Heftpflaster und reißt stattdessen eine Ecke der Zeitung ab und drückt sie auf die blutende Stelle. Dann nimmt er ein neues Paar Handschuhe aus der Schachtel und beginnt von vorn.
    Er will es unbedingt richtig machen. Wenn er es gut hinkriegt, wird dies das Beste sein, was er je getan hat. Das weiß

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