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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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und Storey machte die Augen wieder auf. »Sie waren bestimmt völlig aufgewühlt.«
    »Warum versuchen Sie mein Verhalten zu rechtfertigen? Ich bin ein Unmensch. Ich habe meine Kinder umgebracht, das ist das Schlimmste, was man überhaupt tun kann. Sie hätten mich verbluten lassen sollen, statt mich zu retten. Ich verdiene tot zu sein.« Storeys Worte brachen aus ihm heraus.
    »Sie sind kein Unmensch«, sagte Tony. »Ich glaube nicht, dass Ihre Kinder die einzigen Opfer sind. Wir werden Sie gründlich untersuchen. Tom, ich glaube, dass Sie möglicherweise an einem Hirntumor leiden. Also, Ihr Gehirn besteht aus zwei Hälften, verstehen Sie. Botschaften von der einen Seite wandern über eine Art Brücke, die sich Corpus callosum nennt, zu der anderen. Wenn diese Brücke beschädigt ist, weiß Ihre rechte Hand im wahrsten Sinn des Wortes nicht, was Ihre linke Hand tut. Und es ist schrecklich, mit so etwas leben zu müssen. Ich kann Ihnen keinen Vorwurf daraus machen, dass Sie an einen Punkt kamen, an dem Sie dachten, Ihre Kinder umzubringen sei die einzige Möglichkeit, sie vor dem zu schützen, was Sie ihnen vielleicht antun würden.«
    »Aber Sie sollten mir die Schuld geben«, beharrte Storey. »Ich war ihr Vater. Es ist meine Aufgabe, sie zu beschützen. Und nicht, sie zu töten.«
    »Aber Sie konnten sich selbst nicht über den Weg trauen. Deshalb beschlossen Sie, ihr Leben so schonend wie möglich zu beenden. Sie im Schlaf zu ersticken.«
    Storeys Augen füllten sich mit Tränen, und er senkte den Kopf. »Es war falsch«, sagte er mit gepresster Stimme. »Aber niemand hat auf mich gehört. Niemand hat mir geholfen.«
    Tony streckte die Hand über den Tisch und legte sie auf den verbundenen Stumpf. »Wir werden Ihnen jetzt helfen, Tom. Ich verspreche es Ihnen. Wir werden Ihnen helfen.«

    Carol streckte sich, bewegte die Schultern, schwang sich auf ihrem Drehstuhl herum und starrte aus dem Fenster. Auf der anderen Straßenseite stand ein weißes Kalksteingebäude mit einem schönen klassizistischen Säulengang. Als sie früher in Bradfield gewohnt hatte, war es eine Bingohalle gewesen. Jetzt war es ein Nachtclub, dessen Name »Afrodite« im kalten Licht imitierter griechischer Neonlettern leuchtete. Busse mit Werbung für die neuesten Filme und Computerspiele holperten vorbei. Ein Verkehrspolizist überprüfte Parkscheine und hielt seinen Scanner wie einen Schlagstock. Eine Welt, in der alle ihren Geschäften ganz ohne die Belastung nachgehen durften, die in ihrem eigenen Beruf Programm war. Sie hatte die Unterlagen zum Fall Guy Lefevre gelesen und war jetzt fast am Ende der Tim-Golding-Akte. Die Wörter fingen an zu verschwimmen. Außer einer halben Stunde Mittagspause hatte sie den ganzen Tag gelesen. Sie wusste, sie war nicht die Einzige. Jedes Mal wenn sie den Kopf hob, war der Rest der Gruppe genauso vertieft. Es war interessant, dass ihre Körpersprache so viel mehr über ihre Persönlichkeiten verriet als die etwas steife und zurückhaltende Unterhaltung in der Mittagspause beim Verzehr der Brote, die Stacey aus der Kantine geholt hatte.
    Don saß mit einem Arm auf der Akte über seinen Tisch gebeugt, wie ein Kind, das die anderen nicht abschreiben lassen will. Er war nicht gerade der Schnellste, mit dem Carol je zusammengearbeitet hatte, aber er machte das durch seine unerschütterliche Beharrlichkeit und seine Hingabe an die Zusammenarbeit im Team wieder wett. Und wenn es jemanden gab, auf dessen Loyalität sie sich unbedingt verlassen konnte, dann war es Don. Er hatte sich in der Vergangenheit bewährt, aber erst heute Vormittag hatte sie gemerkt, wie wichtig das für sie war.
    Der drahtige Kevin saß aufrecht auf seinem Stuhl vor seinen ordentlich ausgebreiteten Unterlagen. Hin und wieder starrte er für kurze Zeit etwa so lange in die Luft, wie man für eine Zigarette gebraucht hätte. Dann kritzelte er etwas auf einen Notizblock, der neben ihm lag, und kehrte wieder zu seiner Lektüre zurück. Carol erinnerte sich, dass er immer so zugeknöpft gewirkt hatte. Deshalb war es umso erstaunlicher gewesen, als er aus dem Ruder lief. Wie die meisten sehr beherrschten Menschen war er fahrlässiger als der wildeste Draufgänger, wenn er erst einmal gegen die Regeln verstoßen hatte. Und das hatte ihn zu seinem Vertrauensbruch verleitet. Carol sagte sich zwar, diesen Fehler würde er nie wieder machen, zögerte aber doch, ihm zu vertrauen. Und sie hoffte, dass er ihr das nicht ansah.
    Gegenüber von Kevin saß

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