Toedliche Worte
siehst sie selbst so. Als Ein-Mann-Kreuzzug, um den Schaden zu beheben.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich wollte, es wäre so einfach. Du kommst also morgen Abend vorbei und siehst dir das Haus an?«
»Ja. Dann kann ich vielleicht entscheiden, ob ich die Verrückte im Keller sein will. Soll ich Pizza mitbringen?«
Er überlegte. »Lieber chinesisch«, sagte er schließlich.
»Alles klar.« Sie streckte die Hand aus, um die Autotür aufzuschließen. »Tony – danke für heute Abend. Und dass du hier in Bradfield bist.«
Er schien überrascht. Warum sollte ich irgendwo anders sein? Alles, was ich brauche, ist hier. Statt seine Gedanken auszusprechen, klopfte er ihr verlegen auf die Schulter. »Wir sehen uns dann morgen.«
Sie stieg in den Wagen und fuhr los, dabei sah sie im Rückspiegel, dass er auf dem Gehweg stand und ihr nachblickte. Sie wusste, dass ihn seine Schuldgefühle hatten herkommen lassen. Früher hätte sie das verlegen und ärgerlich gemacht. Aber jetzt war sie eine andere Frau, die gelernt hatte, für gute Dinge dankbar zu sein, wie kompliziert das Drum und Dran auch sein mochte.
Sam Evans schob vorsichtig die Bürotür auf. Kein Licht brannte. Er schlüpfte durch die schmale Öffnung, machte die Tür hinter sich zu und schloss ab. Dann schaltete er das Licht an. Die Neonröhren flimmerten, und schließlich erhellte ihr hartes Licht das Einsatzzentrum. Sam ließ den Blick über die Schreibtischreihen schweifen und ging dann schnurstracks auf Paula McIntyres Platz zu.
Er setzte sich auf ihren Stuhl und merkte sich genau, wie die Papierstapel auf ihrem Tisch verteilt waren. Er würde demnächst den Fall bekommen, an dem sie jetzt arbeitete. Vorsichtig blätterte er jeden Stapel durch und versuchte herauszufinden, warum sie sich für diese Anordnung entschieden hatte. Er schlug den Notizblock auf und las die Liste von Paulas Beobachtungen. Manche waren recht scharfsinnig, dachte er und merkte sie sich, damit er sie noch im Gedächtnis hatte, wenn er den Fall überprüfen musste.
Langsam zog er Paulas Schreibtischschubladen auf, eine nach der anderen, und schubste die Dinge darin mit einem Bleistift herum, damit er keine Fingerabdrücke hinterließ, die ihn verraten könnten. Es war immer ganz gut, zu sehen, was die Leute wegräumten, aber doch zur Hand haben wollten. Ganz unten in der Schublade fand er ein Foto, auf dem Don Merrick wohl in einem Pub oder einem Club den Arm um eine Frau gelegt hatte. Bei genauerem Hinsehen machte er plötzlich die überraschende Entdeckung, dass es sich bei der Frau um Carol Jordan handelte. Ihr Haar war länger, das Gesicht voller, aber ohne Zweifel war sie es. Sie tranken – wohl mit einem Glas Sekt – beide demjenigen zu, der das Foto machte. Sehr interessant, dachte er. Und es war fast sicher, dass sich diese Information nutzen ließ.
Er machte Paulas Schublade zu und ging weiter zu Kevin Matthews’ Schreibtisch, wo er genauso vorging. Man sagt, es sei gut, seine Feinde zu kennen. Aber Sam Evans legte genauso viel Wert darauf, dass er auch die Leute kannte, die eigentlich auf seiner Seite sein sollten. Er war ehrgeizig, wie John Brandon schon bemerkt hatte. Aber er wollte sich nicht nur hervortun, sondern auch sichergehen, dass ihn niemals jemand übertraf.
Wissen war Macht. Und Evans wusste, dass man Macht niemals geschenkt bekam. Man musste sie an sich reißen, wann und wo immer man es konnte. Wenn das hieß, dass man sie jemandem wegnehmen musste, war das nicht zu ändern. Wenn der Betreffende zu schwach war, sich seine Macht zu erhalten, dann verdiente er es nicht besser.
Er dagegen verdiente Besseres.
Er vergleicht das Bild, das er vor sich sieht, mit dem Bild, das die Stimme und die Videos ihm eingeprägt haben. Sandie liegt mit gespreizten Gliedmaßen auf dem Bett, ihre Handgelenke sind mit Handschellen an dem billigen Kiefernholzrahmen festgemacht. Ihre Füße sind an den Beinen des Bettgestells festgebunden. Er musste einen Strick nehmen, denn die Fesseln für die Fußgelenke waren zu kurz. Es ist nicht richtig, aber besser bekommt er es nicht hin. Er ist der Stimme dankbar dafür, dass sie ihn erinnert hat, auch den Strick mitzunehmen, falls mit dem Bett etwas nicht klappen sollte.
Er wünschte, das Zimmer wäre schöner, aber daran kann er nichts ändern. Wenigstens ist das Licht nicht zu hell. So kann man leicht die Einstichnarben an ihren Armen und ihre Magerkeit übersehen. Fast könnte sie die Traumfrau aus einem der Videos
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