Toedliche Worte
aufgegeben.«
»Hab ich auch.« Sie inhalierte tief. »Was du gerade gesagt hast, ist Blödsinn. Wir haben den Fall bis zum letzten Detail durchgearbeitet. Du musst aufhören, dir solche Vorwürfe zu machen, Don. Von allem anderen abgesehen ist es wichtig für uns, dass du einen klaren Kopf behältst. Wir haben schon eine Chefin mit Komplexen. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist auch noch ein Inspector mit einem Tick.«
Merrick sah sie überrascht an. »Du meinst, dass Carol Jordan einen Komplex hat?«
»Natürlich. Sie ist vergewaltigt worden, Don. Und es ist passiert, weil ein paar Bürohengste sie so wenig respektierten, dass sie sie als Lockvogel platzierten. Wie man es auch betrachten mag, sie arbeitet zur Zeit nicht mit dem vollen Einsatz ihrer Fähigkeiten. Ihr Urteilsvermögen ist eingeschränkt.«
Merrick schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Paula. Sie schien mir ganz gut in Form zu sein.«
»Es ist leicht, Reden zu halten, wenn wir nicht unter Druck stehen. Aber ich bin nicht sicher, dass sie eine Aktion noch erfolgreich durchführen kann.«
Merrick sah skeptisch aus. »Es ist zu früh, so etwas zu sagen. Carol Jordan hat von allen Chefs, die ich hatte, ihre Sache am besten gemacht.«
»Das hab ich früher auch gedacht. Aber jetzt …?« Paula trank aus. »Lass uns mal sehen, was du in sechs Monaten sagst. Und was hältst du von den Neuen?«
»Zu früh.« Merrick zuckte mit den Schultern. »Diese Stacey kennt sich mit Computern aus, das steht fest.«
»Ich frag mich öfters, ob sie selbst eine Maschine ist«, kicherte Paula. »Sie gehört nicht zum Club der Mädels, das steht fest. Ich hab schon verschiedentlich versucht, mich mit ihr zu unterhalten, aber sie steht nicht auf albernen Klatsch.«
Merrick grinste. »Ja, irgendwie kann ich sie mir nicht beim Tratsch über Männer und beim Make-up-Auftragen in der Toilette vorstellen. Aber sie ist immer gleich da, wenn jemand mal Hilfe am Computer braucht.«
»Und was ist mit Sam? Wie siehst du den?«, fragte Paula.
»Scheint mir in Ordnung. Aber er ist ziemlich still.«
»Ich bin mir bei ihm nicht sicher. Er hat irgendetwas Unheimliches an sich«, vertraute ihm Paula an. »Eine meiner Kolleginnen hat mit ihm drüben in Downton zusammengearbeitet und hat gesagt, er sei gemein. Er hätte nie viel gesagt, sich aber auch keine Gelegenheit entgehen lassen, alle anderen abzuhängen. Und er sei immer unglaublich gut über das informiert gewesen, was die anderen vorhatten. Offenbar will er den Chefs gefallen, unser Sam.«
»Na ja, wir wollen alle einen guten Eindruck machen«, sagte Merrick.
»Ja, aber nicht unbedingt auf Kosten unserer Kollegen. Ach ja, und sie sagte, er hätte sich nie mit ihr oder den anderen Frauen der Gruppe gut gestanden. Sie meinte, insgeheim sei er ein Sexist.«
Merrick lachte. »Paula, heutzutage können wir ja nur heimlich Sexisten sein, sonst fallen du und deine Schwestern wie eine wilde Meute über uns her.«
Sie boxte freundschaftlich gegen seinen Arm. »Du weißt schon, was ich meine.« Sie betrachtete ihre leere Flasche. »Willst du noch eine?«
»Ich sollte nach Hause gehen«, sagte Merrick zögernd.
Paula stand auf und grinste. »Noch ein Ale, also?«
Er kennt diese Straßen wie seine Westentasche. Seit seiner Kindheit ist er hier viel herumgekommen. Er kennt die Gesichter, die Plätze und weiß, wo bestimmte Leute zu jeder Tages- oder Nachtzeit zu finden sind. Noch nie hat er darüber nachgedacht, es war einfach so. Aber die Stimme hat ihm klar gemacht, dass Wissen Macht ist und dass sein Wissen ihn zum König der Straßen macht.
Er streift umher wie sonst und bemüht sich, so auszusehen wie an jedem beliebigen Abend zuvor. Hie und da schließt er ein kleines Geschäft ab, um sich abzusichern, damit nur alles so wie an jedem anderen Abend aussieht. Die Stimme hat ihm das geraten. Denn wenn es mit den Fragen losgeht, sollen die Leute sich erinnern, ihn an den gewohnten Stellen gesehen zu haben, wo er sich genauso benahm wie immer.
Aber bald ist es so weit. Er weiß, wo er sie finden kann. Da, wo sie sich zwischen den Kundenbesuchen immer aufhält. Er räuspert sich und geht auf sie zu, sagt ihr, was er will. Es scheint sie zu belustigen, als könne sie kaum glauben, dass gerade er das verlangt. »Aber Rabatt gibt’s nicht, Kumpel«, sagt sie. Er wird rot und windet sich verlegen. Es ist ihm peinlich, dass sie ihn Kumpel nennt. Denn was er mit ihr vorhat, ist nicht das, was Kumpel miteinander machen,
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