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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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gepflegtes schulterlanges schwarzes Haar und die makellos lackierten Nägel gaben Carol immer das Gefühl, als sei sie selbst direkt aus dem Bett zu ihren Befragungen gezerrt worden. Hätte die Anwältin neben ihrer tadellosen Eleganz nicht auch noch Verstand und Kampfgeist besessen, wäre es gerade noch erträglich gewesen. Man war allgemein der Meinung, dass jemand, der sich eine Vertretung durch Bronwen Scott leisten konnte, wahrscheinlich die Tat begangen hatte. »Na gut«, sagte Carol und ging auf die Tür zu.
    Als sie auf den Korridor trat, stand sie Scott bereits gegenüber. »Oh, Inspector Jordan. Was für eine Überraschung. Ich dachte, Sie hätten uns verlassen und seien in glanzvollere Gefilde gezogen«, sagte Scott kühl mit einem amüsierten Unterton.
    »Eigentlich Chief Inspector. Und Sie sollten doch wissen, dass unsere Arbeit nichts Glanzvolles hat. Sollen wir gehen?«
    Scott schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wo Sie waren, Chief Inspector, aber hier in Bradfield haben Anwälte immer noch das Recht, mit ihren Klienten unter vier Augen zu sprechen. Und bevor ich das tue, hätte ich gern Auskunft über die Sachlage.«
    Ganz wie erwartet, dachte Carol. »Bei der Verhaftung Ihres Mandanten wurde sein Computer beschlagnahmt. Anschließend wurden die Daten analysiert. Dazu wird er ausführlich zu einem späteren Zeitpunkt befragt werden, aber auf seiner Festplatte ist ein Bild, das in einem direkten Zusammenhang mit einer von mir durchgeführten Ermittlung steht. Ich möchte mit ihm über dieses eine Bild sprechen.«
    »Dabei handelt es sich …?«
    »Ich werde gerne in der Befragung darauf kommen und Ihnen und Ihrem Mandanten eine Kopie des Bildes zeigen.«
    Scott schüttelte den Kopf. »Sie haben wohl wirklich vergessen, welche Vorschriften Gültigkeit haben, Chief Inspector? Bevor ich eine sinnvolle Unterhaltung mit meinem Mandanten führen kann, muss ich wissen, worum es hier geht.«
    Ein langes Schweigen folgte. Carol spürte Paulas prüfenden Blick auf ihrem Rücken. Es brachte wirklich nichts, die Information jetzt zurückzuhalten. Es gab ja keine fundierte Grundlage für einen Verdacht gegen Ron Alexander, was Tim Goldings Verschwinden anging. Wenn sie Scott überhaupt nicht entgegenkam, würde sie in der Befragung nichts weiter als »Kein Kommentar« zu hören bekommen, das stand fest. Wenn sie versuchte, das Bild zurückzuhalten, um es plötzlich während der Befragung vorzulegen, würde Scott ganz einfach um eine Pause bitten, damit sie mit ihrem Mandanten sprechen konnte. Carol überlegte. Sie wollte, dass Ron Alexander mit ihr zusammenarbeitete. Es war ihr gleichgültig, was für eine umfassendere Anklage gegen ihn sich daraus ergab. »Wir können die Sache ja ein bisschen beschleunigen«, sagte sie. »Auf dem Computer Ihres Mandanten war ein Bild von Tim Golding, dem achtjährigen …«
    »Ja, ich weiß, wer Tim Golding ist«, sagte Scott ungeduldig. »Aber da die Polizei die Bilder von dem Kind im ganzen Land verbreitet hat, ist es ja wohl nichts Besonderes, dass mein Mandant ein Foto von dem Jungen auf seinem Computer hat.«
    »Es ist schon etwas Besonderes, wenn auf dem betreffenden Bild ein erschrockenes, nacktes Kind zu sehen ist.« Carol drehte sich auf dem Absatz um. »Lassen Sie mich wissen, wenn Sie so weit sind«, warf sie Scott über die Schulter zu und ging, gefolgt von Paula, um die Ecke. »Ich sehe, Bronwen Scott ist zwar älter, aber nicht zurückhaltender geworden«, äußerte Carol.
    »Es ist schade, dass Sie schon so viel preisgeben mussten«, meinte Paula dann, während sie ihre Chefin einholte.
    »Sie kennen ja die Regeln, Paula. Wenn sie um Aufklärung bitten, müssen wir sie ihnen geben.«
    »Hätten Sie nicht verschweigen können, wer auf dem Bild ist, Chefin? Damit es ihn dann im Verhör umgehauen hätte?«
    Carol blieb stehen und warf Paula einen abwägenden Blick zu. »Sie meinen, ich war zu schwach?«
    Paula schien entsetzt. »Ich habe doch nicht …«
    »Nachgeben ist nicht immer ein Zeichen von Schwäche, Paula. Es hätte nichts gebracht, es zurückzuhalten. Ich weiß, wie Scott vorgeht. Alexander hätte einfach von Anfang an nur ›Kein Kommentar‹ gesagt. Jetzt kann sie die Informationen vielleicht als einen Bestandteil der Verhandlungen betrachten.« Als Carol vorausging, fühlte sie die Spannung in ihrer Schultermuskulatur. Vielleicht trauten sie ihr doch nicht ganz so viel zu, wie sie gedacht hatte.

    Er schläft lange. Es ist schon fast Mittag, als

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