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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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wirklich nicht. Aber sie weiß nicht, was in ihm vorgeht. Sie sieht, was sie zu sehen erwartet: einen verlegenen Freier, der sich wie ein Fisch auf dem Trockenen fühlt.
    Er sagt ihr, er wolle mit in ihr Zimmer kommen. Schon vor der Stimme wusste er über das Zimmer Bescheid. Er weiß viel mehr über die Dinge, die sich hier abspielen, als irgendjemand ihm zutrauen würde. Nach einem kurzen Blick über die Schulter folgt er ihr um die Ecke in den schmalen Durchgang, der zu ihrem Zimmer führt. Niemand beachtet ihn. Selbst wenn sie ihn sehen wollten, ist es hier zu dunkel dazu. Die Dealer machen so oft die Birnen der Straßenlaternen kaputt, dass die Stadtverwaltung es aufgegeben hat, sie zu ersetzen. Und selbst wenn man Katzenaugen hätte, würde man annehmen, dass er seiner Arbeit nachgeht, und nicht, dass sie für ihn arbeiten soll.
    Mit ihrem knackigen Arsch in dem kurzen Rock geht sie die Treppe hoch. Es ist erstaunlich, aber er spürt, wie er schon bei dem bloßen Anblick hart wird. Diese Mädchen hat er schon millionenmal gesehen, sie gehören einfach zur Umgebung, und normalerweise nimmt er sie gar nicht mehr wahr. Aber heute Abend bringen ihn Sandies schwingende Hüften in Fahrt. Er erinnert sich vage an das, was er jetzt tun soll, nimmt die Digitalkamera heraus und macht einen Schnappschuss von ihr. Als sie den Blitz bemerkt, bleibt sie stehen und fährt herum. »Was hast du vor, verdammt noch mal?«, fragt sie.
    Er hält die Kamera hoch. »Ich wollte nur ein Andenken an dich«, sagt er und bekommt diesen eingeübten Satz fast perfekt heraus.
    Sie runzelt kurz die Stirn, aber dann lacht sie. »Das wird dich was kosten.«
    Er macht noch einen Schnappschuss. »Kann ich mir leisten«, sagt er. Sie geht weiter die Treppe hoch, und er folgt ihr. An der Tür bleibt sie stehen. »Lass mal die Kohle sehen«, sagt sie. »Vorkasse, wenn du mich fesseln willst.«
    Er nimmt das Geldbündel heraus, das die Stimme zusammen mit ihren Anweisungen hinterlegt hat, und zieht ein paar Scheine davon heraus. Sandie schnappt sie sich und steckt sie in ihre kleine Handtasche. »Deine Geschäfte müssen besser laufen als meine«, sagt sie mit einer Stimme, die so bitter ist wie der Kaffee in Stan’s Café. Sie schließt die Tür auf. »Also los, bringen wir’s hinter uns.«
    Er lächelt. Das würde sie nicht sagen, wenn sie wüsste, was er für sie hat. Aber wenn er das tut, was er tun soll, wird sie sowieso nichts mehr sagen. Nie mehr.

    Temple Fields hat sich in den letzten zwei Jahren nicht sehr verändert, dachte Carol, als sie zu ihrem Wagen zurückging. Der gleiche Unrat trieb die Gossen entlang, die gleiche Mischung gehemmter Menschen, die auf der Suche nach dem waren, was sie für Vergnügen hielten, und von denen, die es schon gefunden und dabei alle Hemmungen verloren hatten. Ihr Polizistengehirn registrierte alle, die an ihr vorbeikamen: die schwächlich aussehenden Strichjungen, die gelangweilten Nutten, die gerissenen Anbieter von Substanzen, die das Glück versprachen, und ihre zwischen ihnen hin und her wandernden Opfer, die mit ihrem vorgetäuschten Selbstbewusstsein so leicht zu erkennen waren. Aber der Frau mit der Dienstmarke schauderte bei dem Gedanken an den Leichtsinn und den Handel mit menschlichen Körpern. Sie wollte sich die Dinge, die sich bis zum Tagesanbruch in dieser Quadratmeile abspielen würden, gar nicht vorstellen. Carol fühlte sich, als sei ihr irgendwie das dicke Fell abhanden gekommen, und fragte sich, wie lange es dauern würde, bis es wieder nachgewachsen war.
    »Dieselbe alte Geschichte«, sagte sie müde. »Guck sie dir an – sie meinen, sie hätten einen Pakt mit der Welt geschlossen und jetzt könne ihnen nichts mehr passieren. Dabei haben sie nicht den blassesten Schimmer, wie verwundbar sie sind.«
    »Sie können es sich nicht leisten, darüber nachzudenken«, sagte Tony, während er die Straßen, alle im gleißenden Neonlicht der Bars, an sich vorbeiziehen ließ.
    Schweigend gingen sie weiter. »Ich fahr dich nach Haus«, sagte Carol, als sie sich ihrem Wagen näherten.
    »Nein danke, ist schon gut. Ich geh ganz gerne noch ’n Stück.«
    Carol zog die Augenbrauen hoch. »Musst du über etwas nachdenken?«
    Tony nickte. »Ich habe heute mit einem Patienten gesprochen und muss mir überlegen, wie ich das Versprechen einlösen kann, das ich ihm gegeben habe.«
    »Dein neuester Kreuzzug?«, lächelte Carol.
    Tony war überrascht. »So siehst du meine Tätigkeit?«
    »Ich glaube, du

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