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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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sagt ›Hi‹. Geordie stellt sich als Detective Inspector Merrick vor.
    Er wiederholt den Namen noch zweimal, damit er sich ihn gut einprägt, denn er weiß, die Stimme wird alles genau wissen wollen. Fast bevor er gefragt wird, gibt er Geordie seinen Namen und seine Adresse an, und die Frau schreibt sie auf. Sie sieht nicht schlecht aus. Bisschen dünn, aber langsam fängt er an, so dünne Weiber zu mögen. Der Polizist fragt, ob er die Sache mit Sandie gehört hätte, und er sagt, ja, alle redeten ja darüber. Und dann spuckt er die Sprüche aus, die die Stimme fest in seinem Hirn verankert hat. Es läuft perfekt.
    Sie fragen, ob er jemanden gesehen hätte, der sich merkwürdig benahm. Er lacht laut und unterstreicht damit sein Dorftrottel-Image. »Hier benehmen sich alle komisch«, sagt er.
    »Tatsächlich«, murmelt die Polizistin halblaut. »Kann irgendjemand bezeugen, wo Sie gestern Abend waren?«
    Er scheint verwirrt. Mr. Merrick sagt: »Hat jemand Sie gesehen? Wer kann bestätigen, wo Sie gestern Abend waren?«
    Er reißt die Augen auf. »Weiß nicht«, sagt er. »Gestern Abend war es genauso wie immer, wissen Sie? Ich kann mich nicht so gut erinnern, wissen Sie, Mr. Merrick.«
    »Sie haben sich aber daran erinnert, dass Sie Sandie nicht gesehen haben«, warf die Frau ein. Klugscheißerin, blöde Kuh.
    »Nur weil ja alle davon reden«, sagte er und spürte am Kreuz, wie ihm kitzelnd der Schweiß herunterrann. »Das ist eine große Sache, keine kleine, wie zum Beispiel wer im Café oder im Pub war.«
    Mr. Merrick klopft ihm auf die Schulter, nimmt eine Karte aus seiner Tasche und gibt sie ihm in die Hand. »Wenn Sie etwas hören, rufen Sie mich an, ja?« Und schon gehen sie weiter, um sich mit dem Nächsten zu unterhalten.
    Von Zweifel keine Spur. Keinerlei Verdacht. Er hat sie reingelegt. Sie haben sich mit einem Mörder unterhalten und hatten keine Ahnung davon. Wer ist denn jetzt hier der Dumme?

    Carol machte leise die Tür zu, denn sie wollte Michael und Lucy nicht stören. Sie wusste ja, wie hellhörig diese Dachwohnung mit den hohen Decken war. Sie streifte die Schuhe ab und ging zur Küche am einen Ende des offenen Wohnraums. Ihr Kater Nelson lag behaglich auf der Seite ausgestreckt im Schein der verdeckt angebrachten Neonröhren, die Licht auf die Arbeitsfläche warfen, und genoss die Wärme. Als sie näher kam, zuckte ein Ohr, und er stieß ein tiefes Brummen aus, das man mit gutem Willen als Willkommensgruß interpretieren mochte. Carol kraulte ihn am Kopf und bemerkte dann den Zettel, den er halb verdeckte. Sie zog ihn unter dem Kater hervor, ohne sein widerstrebendes Zappeln zu beachten. »Hallo, Schwesterchen. Lucy ist morgen und Donnerstag wegen eines Falls von schwerem Raub in Leeds. Wir haben noch in letzter Minute Karten für die Oper bekommen, deshalb übernachte ich heute dort mit ihr. Bis Donnerstagabend. Tschüss, Michael«
    Carol zerknüllte den Zettel und warf ihn in den Papierkorb, wobei sie einen Augenblick wehmütig an die Vorstellung eines Opernabends in netter Gesellschaft dachte. Es gab nichts, was nicht besser gewesen wäre als ein Abend allein in der Wohnung. Sie machte den Kühlschrank auf, um eine halb leere Dose Katzenfutter herauszunehmen, fühlte sich aber unwiderstehlich von einer Flasche Pinot grigio angezogen, die im Türfach stand. Sie nahm beides heraus, fütterte den Kater und betrachtete die Flasche Wein.
    Bei dem Kampf um ihren Frieden hatte Carol dem einfachen Trost aus der Flasche widerstanden, denn sie betrachtete diese simple Art des Vergessens mit Skepsis. Sie hatte sich vorgenommen, die Zeit nach der Vergewaltigung nicht wie eine Schlafwandlerin über sich ergehen zu lassen. Sie musste die Sache verarbeiten, die Nachwirkungen verstehen und ihre Psyche wieder einigermaßen in Ordnung bringen. Heute Abend allerdings wollte sie tatsächlich alles vergessen. Sie konnte die Bilder nicht ertragen, die sie aus der Pathologie mit nach Hause gebracht hatte und vor sich sah, sobald sie die Augen schloss. Ohne Hilfsmittel war an Schlaf nicht zu denken. Doch ohne Schlaf konnte sie die Verfolgung von Sandie Fosters Mörder nicht effizient durchführen. Carol wühlte in der Besteckschublade, fand den Korkenzieher und öffnete schnell die Flasche. Mit dem vollen Glas in der Hand lehnte sie am Tisch, vergrub die Finger in Nelsons Fell und war dankbar dafür, seinen Herzschlag an ihrem Körper zu spüren.
    Vor dem gestrigen Abend hatte sie nichts mit Sandie gemein gehabt,

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