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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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tun.«
    »Was schließt du also daraus?«
    »Vergewaltigung.« Das Wort stand zwischen ihnen. Seit Monaten war es nicht ausgesprochen worden und unaussprechlich gewesen. Aber jetzt stand es klar und deutlich vor ihnen. Tony zuckte entschuldigend mit den Schultern.
    Carol hatte Mühe, ihre professionelle Nüchternheit beizubehalten. »Warum sagst du das? Es gibt keine Anzeichen für einen Kampf in dem Zimmer. Vermutlich wurde Sandie mit ihrer Zustimmung gefesselt. Wahrscheinlich hatte er ihr zugesagt, sie dafür zu bezahlen.«
    »Klar. Aber er will, dass es ihm wie eine Vergewaltigung erscheint. Deshalb will er sein Opfer nicht ausziehen. So kann er sich einreden, er sei ein Vergewaltiger.«
    Jetzt war Carol verwirrt. »Er will vorgeben, ein Vergewaltiger zu sein? Und bringt dann die Mädchen um? Warum kann er sich nicht einfach als Mörder ausgeben?«
    Tony seufzte. »Das weiß ich noch nicht, Carol.«

    Zwar ist das ziemlich absurd, aber wenn es auf den Straßen von Polizisten wimmelt, fühlt er sich ruhiger. Denn er hatte das erwartet, und es ist immer tröstlich, wenn das passiert, was er erwartet, selbst wenn es schlimm ist. Dann weiß er wenigstens, dass es nicht etwas noch Schlimmeres ist.
    Er hatte auf der Toilette in Stan’s Café ein paar Geschäfte gemacht, da sah er Blaulicht durch die Milchglasscheiben des Fensters. Ein einziges Blaulicht hätte ja alles Mögliche sein können, aber drei auf einmal, da musste es um Sandie gehen. Und er hat keine Panik bekommen. Darauf ist er stolz. In der Zeit vor der Stimme wäre er wahrscheinlich weggelaufen – einfach aus Prinzip. Aber jetzt machte er weiter, verkaufte dem nervösen schwarzen Jungen Crack und tat ganz überrascht, als der wegen der Bullen draußen die Sache beschleunigen wollte.
    Der Junge war gerade verschwunden, als ihr Gespräch losging. »Sie haben sie gefunden«, sagte die Stimme warm und liebevoll. »Heute Abend werden sie überall in Temple Fields sein. Sie werden mit allen reden wollen. Auch mit dir. Aber das ist in Ordnung. Das geht klar. Du weißt ja, was du sagen wirst, oder?«
    Er warf ein nervöses Lächeln in Richtung Tür. »Ja, weiß ich.«
    »Tu mir den Gefallen, sag’s noch mal«, lockte die Stimme.
    »Ich war hier und da, genau wie immer. Hab mal kurz bei Stan’s reingeschaut und im Queen of Hearts zwei Bier getrunken. Sandie ist mir den ganzen Abend nicht übern Weg gelaufen. Sonst hab ich sie manchmal unten am Ende von Campion Boulevard gesehen, aber heute Abend nicht.«
    »Und wenn sie dich nach Namen von Personen fragen, die dir ein Alibi geben könnten?«
    »Stell ich mich einfach blöd. Als könnte ich einen Abend nicht vom anderen unterscheiden. Alle wissen ja, dass ich ’n bisschen langsam bin, deshalb werden sie sich nichts dabei denken.«
    » Stimmt. Vage bleiben ist gut. Das erwarten sie von dir. Hast’s echt gut gemacht gestern Abend. Wunderschönes Material. Wenn du heute Abend nach Hause kommst, wirst du eine kleine Belohnung vorfinden.«
    »Das brauchst du nicht zu tun«, widersprach er und meinte es ehrlich. »Ich bin so auch schon zufrieden.«
    »Du hast es verdient. Du bist ein ganz besonderer junger Mann.«
    Er fühlte eine Wärme im Innern, die jetzt immer noch vorhält. Niemand außer der Stimme hat jemals etwas an ihm besonders gefunden außer seiner Unwissenheit.
    Jetzt treibt er sich also wie immer draußen herum. Er sieht sich die Polizisten an, manche in Uniform, andere offensichtlich Kripo. Sie kämmen langsam die Straßen durch, gehen auf beiden Seiten entlang. Er könnte zu Stan’s zurückkehren und warten, bis sie zu ihm kommen, oder er könnte wie ein Dummkopf, der nichts zu verbergen hat, auf sie zugehen.
    Er erkennt einen der Kripobeamten, hatte ihn bei einer anderen Gelegenheit gesehen, als sie zwei Jahre zuvor überall in Temple Fields waren. So ein großer Dicker aus Tyneside, ein Geordie. Der Geordie behandelte einen nicht wie Dreck. Er wechselt die Richtung, indem er auf den Geordie und seine Kollegin zugeht. Sie sprechen mit einem Freier, der aber nichts weiß und es kaum erwarten kann, wegzukommen. Wahrscheinlich hat er ihnen einen falschen Namen und eine erlogene Adresse gegeben und will verschwinden, bevor sie ihn ertappen.
    Sie treten zurück, und der Freier macht sich wie eine Krabbe seitwärts davon. Der Bulle schaut auf und sieht ihn. Er betrachtet ihn mit einem Blick, der sagt ›irgendwoher kenne ich dich, aber ich kann dich nicht einordnen‹. Er grinst den Dicken blöde an und

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