Toedliche Worte
»Funksprüche überall um uns herum. Die Luft ist voller Stimmen, die wir nicht hören. Warum wird vom Mörder gerade die eine gehört, die anderen hört er aber nicht? Warum lassen ihn die Verbindungen in seinem Gehirn die Welt akustisch anders wahrnehmen, als wir das tun? Es ist wie bei den Typen, die sexuelle Übergriffe planen; was wir hier als einen Ort zum Spazierengehen ansehen, ist für sie eine Gelegenheit, an Sex zu kommen. Wie entstehen diese Entscheidungen?«
Carol fröstelte. »In diesem Moment treffe ich die Entscheidungen. Und ich wähle ein Café – ich erfriere nämlich hier draußen. Aber nicht in Temple Fields. Hier wimmelt es ja von meinen Leuten. Komm, wir gehen ins Starbucks auf dem Woolmarket.«
Zehn Minuten später saßen sie in einer stillen Ecke des Cafés und hatten exotische Kaffeegetränke vor sich stehen. »Weißt du noch, als Kaffee einfach nur Kaffee war?«, fragte Tony nachdenklich. »Ich sag dir, wenn ich manche meiner Patienten hierher mitnehmen würde, bekämen sie nur wegen der Qual der Wahl, was sie trinken sollen, einen Nervenzusammenbruch.«
»Brandon will ihn mit einem Köder aus der Deckung locken«, sagte Carol abrupt.
Tonys Mund blieb offen stehen. Er kannte John Brandon schon lange, hätte aber nie gedacht, dass er einer solchen Gefühllosigkeit fähig sein könnte. »Er will jemanden als verdeckte Agentin rausschicken?«, sagte er ungläubig.
Carol atmete tief ein und wieder aus. »Ja. Er meint, Paula sei genau der Typ des Mörders.«
»Gott verschone uns mit den genialen Ideen unserer Chefs.«
»Du findest also auch, dass es keine gute Idee ist.« Carol sah ihn flehentlich und um Hilfe bittend an.
»Rein psychologisch könnte es funktionieren. Aber wir wissen doch beide, welch hohes Risiko eine solche Strategie birgt. Und wir kennen den Preis für ein Misslingen – du erinnerst dich an das Fiasko im Fall von Wimbledon Common? Das hat die Sache der Profilerstellung in Großbritannien um zehn Jahre zurückgeworfen. Rachel Nickells Mörder läuft immer noch frei herum. Abgesehen von meinen persönlichen Bedenken bin ich einfach sehr skeptisch gegenüber allem, was nach Fallenstellen aussieht.«
Carol schüttelte den Kopf. »Ein Richter würde es nicht zurückweisen. Es geht nicht um eine systematische Verfolgung eines bestimmten Verdächtigen.«
»So etwas würde also nicht als Verleitung zu einer Straftat gelten?«
»Du hast zu viele amerikanische Gerichtsfilme gesehen. Juristisch gibt es kein Problem. Es ist die moralische Seite, die mich stört. Habe ich das Recht, Paula dieser Gefahr auszusetzen, wo ich doch weiß, was ich erlebt habe?«
Tony empfand tiefes Mitleid mit ihr. Er hatte nichts gegen ihre Sicht der Dinge vorzubringen. Aber er sah auch die Realität. »Carol, wenn Brandon das wirklich tun will, wird er sich nicht durch die Erfahrung, die du gemacht hast, oder durch deine Ansichten beeinflussen lassen. Es wird durchgeführt werden.«
»Und wenn du ihm sagst, es würde nicht funktionieren?« Sie spielte mit ihrer Tasse und wich seinem Blick aus.
»Er wird mir nicht glauben«, sagte Tony schlicht. »Du weißt genauso gut wie ich, wie wenig die Meinung von Profilern berücksichtigt wird, wenn es um Kontroversen über die Einsatzmittel geht.«
Carol fuhr sich durch die Haare. »Mist!«, rief sie wütend. »Man sollte doch denken, dass sie aus dem gelernt haben, was mir passiert ist. Und sie müssten wissen, dass man keine Kontrolle mehr hat, wenn ein Krieg in Feindesland verlegt wird.«
»Sie glauben immer, gerade bei ihrer Operation werde nichts passieren«, sagte Tony. »Ich nehme an, es besteht keine Chance, dass Paula sich weigert.«
»Was meinst du?« Carols Gesichtsausdruck war deprimiert, ihre Stimme klang bedrückt.
Tony nahm Carols Hände in seine. »Dann sollten wir uns wirklich Mühe geben, nichts falsch zu machen.«
Bevor sie antworten konnte, klingelte Carols Mobiltelefon. »Carol Jordan«, meldete sie sich ungeduldig.
»Hier DC Chen«, sagte Stacey. »Dr. France ist hier. Der Geologe.«
Carol verdrehte die Augen. »Ich bin in zehn Minuten dort, Stacey. Entschuldigen Sie mich, ja?« Sie sprang auf, ihren Kaffee hatte sie kaum angerührt. »Ich muss zurück. Ein Geologe aus Sheffield wartet auf mich.«
Tony sah verwirrt aus. »Ich akzeptiere das als Teil deiner geheimnisvollen weiblichen Taktik«, sagte er und folgte ihr. »Kannst du mich mit zurücknehmen? Ich möchte mit Brandon über seine Idee einer verdeckten Aktion
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