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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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sprechen.«
    Über die Schulter warf sie ihm schnell einen dankbaren Blick zu. »Danke. Aber kein Mitleid, das weißt du ja.«
    »Kein Mitleid«, stimmte er zu.

    Was immer Carols Erwartungen waren, Dr. Jonathan France entsprach ihnen überhaupt nicht. Groß, schlank und etwas über dreißig, in dunkelblauer Motorradkluft aus Leder. Der Reißverschluss der Jacke war offen und ließ ein weißes T-Shirt über einem bewundernswert muskulösen Brustkorb sehen. Er saß lässig auf dem Besuchersessel in Carols Büro, so entspannt wie in seinem eigenen Wohnzimmer. Er hatte dickes, glattes dunkles Haar, das so kurz geschnitten war, dass es wie eine Bürste hochstand, und seine dunkelblauen Augen waren von Lachfältchen umgeben. Zum ersten Mal seit Monaten reagierte Carol mit Interesse auf einen attraktiven Mann statt mit Vorsicht. Sie war so überrascht, dass sie das sofort hinter Formalitäten versteckte. »Ich bin Detective Chief Inspector Jordan«, sagte sie und streckte ihm zur Begrüßung die Hand entgegen.
    Die Hand, die ihre eigene umschloss, war warm und groß, mit langen, kräftigen Fingern und gerade abgeschnittenen Nägeln. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Jonathan France«, sagte er. Auch eine schöne Stimme, dachte sie und glaubte in seiner Aussprache einen leichten West-Country-Akzent wahrzunehmen. Er sah sich um und verbarg nicht, dass er den Raum auf sich wirken ließ. »Nicht ganz das, was ich erwartet hatte«, sagte er.
    »Ich oder der Raum?«, fragte Carol. Du lieber Himmel, ich flirte ja, dachte sie erschrocken.
    »Beides«, sagte er. »Ich wusste nicht, dass Sie …«
    »Eine Frau sind?«, unterbrach sie ihn und zwang sich kühl zu klingen.
    Er lächelte. »Eigentlich wollte ich sagen, dass Sie so jung sind. Ist das nicht ein schreckliches Klischee?«
    Überlistet und entwaffnet nahm Carol hinter ihrem Schreibtisch Zuflucht. »Ich weiß nicht, wie viel man Ihnen erklärt hat«, sagte sie.
    »Fast nichts«, erwiderte er. »Nur, dass Sie ein Foto hätten, das ich ansehen und überlegen solle, wo es wohl aufgenommen worden sein könnte.«
    Carol schlug die Tim-Golding-Akte auf und zog eine vergrößerte Fotografie heraus. Bevor sie sie ihm reichte, sagte sie: »Haben Sie jemals zuvor mit der Polizei zusammengearbeitet?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, noch nie.«
    »Kein Problem. Aber ich muss betonen, dass alles, worüber wir sprechen, vertraulich ist. Selbst die Tatsache, dass Sie mit uns arbeiten. Diese Ermittlung ist noch im Gang, und wir wollen dem Täter nicht den leisesten Wink über die Richtung unserer Untersuchungen geben. Was immer Sie an Erkenntnissen haben, bleibt unter uns. Macht Ihnen das etwas aus?«
    Er runzelte die Stirn. »Es ist möglich, dass ich einen meiner Kollegen um Rat bitten muss. Aber ich kann das tun, ohne in allen Einzelheiten den Grund zu erwähnen, warum ich ihn frage.«
    »Das wäre sinnvoll. Natürlich kann es aber sein, dass Sie als Gutachter vor Gericht erscheinen müssen und der entsprechenden Publicity ausgesetzt werden, sollte es zu einer Verhaftung und zu einem Verfahren kommen. Wäre Ihnen das recht?«
    »Klar.« Er zeigte auf seine Ledermontur. »Ich würde dann was anderes anziehen. Und ich würde mich freuen, der Öffentlichkeit zeigen zu können, dass Geologie nichts Langweiliges ist.«
    Herzlich wenig Aussichten, dass sie dich für langweilig halten werden. »Nur der Form halber, können wir Ihre Qualifikationen durchgehen?«
    »Ich habe als Hauptfach Geowissenschaften in Manchester studiert und arbeitete dann ein zusätzliches Jahr in den Karlsbader Höhlen. Meinen Doktor habe ich in München gemacht und kam dann nach Sheffield zurück, wo ich Dozent für Geologie bin. Mein Spezialgebiet sind Kalzitformationen in Kalkgestein. Reicht das?«
    Carol sah von ihren Notizen auf. »Klingt eindrucksvoll.« Sie nahm das Foto wieder in die Hand. »Der Junge auf diesem Bild heißt Tim Golding. Er wurde vor fast vier Monaten entführt. Jede erdenkliche Spur, die wir hatten, hat außer dieser hier zu nichts geführt. Wenn Sie uns bei der Eingrenzung helfen können, wo das Bild aufgenommen wurde, kommen wir vielleicht weiter und finden heraus, was mit ihm geschehen ist.«
    Er nahm das Blatt Papier, hielt es schräg gegen das Licht und studierte es. »Das ist ein Computerausdruck, richtig?«
    »Es wurde als Anhang einer E-Mail geschickt.«
    »Und Sie haben es gespeichert?«, fragte er und hielt das Bild beim Sprechen gedankenverloren dicht vor die Augen und

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