Toedliche Worte
Schreiben oder eine Analyse vertieft war, hätte es mehr bedurft als eines ungewohnten Motorradgeräuschs, um ihn aus seiner Konzentration zu reißen.
Aber als Jonathan France in die Straße einbog, stand Tony gerade neben dem Erkerfenster und ließ den Blick über eine Bücherreihe schweifen, auf der Suche nach etwas, das irgendwo sein musste. Das war das Problem mit dem Umziehen. Egal, wie sorgfältig man seine Bücher packte, sie standen auf den neuen Regalen doch nie genau am richtigen Platz.
Als das Motorrad vor dem Tor anhielt, befand er sich nicht wie gewöhnlich in einem Zustand von Selbstvergessenheit gegenüber der äußeren Welt. Neugierig warf er einen Blick aus dem Fenster, gerade als Carol den Helm abgenommen hatte und ihr blondes Haar schüttelte. Sein erster Impuls war, vom Fenster wegzutreten, um sie nicht zu stören. Aber als sie die Hand nach dem großen Mann ausstreckte, der abgestiegen war, konnte er sich nicht mehr von der Stelle rühren. Er sagte sich, er sehe ja nur zu, um sicherzugehen, dass ihr nichts passiere. Natürlich wusste er, dass das eine Lüge war, wollte aber die wirren Emotionen in seinem Inneren nicht akzeptieren. Er sah zu, wie sie dem ersten Kuss auswich, sah zu, wie der Mann zurücktrat, und sah auch, dass sie miteinander sprachen und Carol dann plötzlich die Initiative ergriff.
Beschämt trat er mit einem schroffen, abweisenden Laut in den Schatten zurück, als Carol sich dem Haus zuwandte. Er warf sich auf einen Sessel und sackte dort, das Gesicht in die Hände gestützt, zusammen. Schließlich hob er den Kopf und blinzelte, um die Tränen zurückzudrängen.
Eifersüchtig. Er war so eifersüchtig, dass er es wie Galle im Hals schmecken konnte. Er liebte sie und wusste es schon lange. Aber es sah aus, als sei die Kluft zwischen ihnen zu tief geworden, als dass sie noch zu überwinden war. Trotz all seiner Anstrengungen schien es, dass Carol einen eigenen Weg zu ihrer Rettung gewählt hatte. Und er selbst hatte damit nichts zu tun.
Die Stimmung im Einsatzzentrum war voll euphorischer Erwartung. Ein leises Gemurmel, Vermutungen und Spekulationen lagen in der Luft, und die Kripobeamten fragten sich, warum DCI Jordan sie zusammengerufen hatte. »Es ist mir egal, was es ist, wenn wir nur nicht mehr im Regen stehen und mit Nutten reden müssen«, vertraute Sam Evans Kevin Matthews an. »Da draußen reagieren sie wie die drei Äffchen – nichts Böses sehen, hören oder sagen.«
»Man weiß ja bei Jordan nie«, sagte Kevin. »Wenn jemand ungewöhnliche Einfälle hat, dann sie.«
»Aber funktionieren die denn?«, fragte Evans, »ihre komischen Ideen?«
Kevin wischte einen kleinen Klecks von getrocknetem Essen weg, den er auf seiner Hose entdeckt hatte. »Sie hat eine unheimliche Tendenz, das Richtige zu treffen«, sagte er. »Ich hab sie Ideen lancieren sehen, die sogar Tony Hill für bescheuert hielt. Und dann hat sich gezeigt, dass sie goldrichtig lag.«
»Ja, aber nach dem, was ihr passiert ist … vielleicht hat sie nicht mehr die Nerven, sich der Gefahr auszusetzen«, betonte Evans. Seine Fischzüge in den Schreibtischen seiner Kollegen am späten Abend hatten bei Carol Jordan nichts ergeben. Sie schien dem Papier sehr wenig anzuvertrauen und ihrem Computer noch weniger. Er musste herausbekommen, was sie dachte, wenn er sein Ziel erreichen wollte, aber es dauerte bei ihr so lange, einen Ansatzpunkt zu finden. Bis jetzt hatte er es geschafft, jede Gelegenheit, sie über Harts Überwachung zu unterrichten, verstreichen zu lassen. Er hoffte, Brandon würde zuerst mit ihr sprechen, ihr das Gefühl geben, verletzbar zu sein, und sie in die Enge treiben. Aber es sah nicht so aus, als sei das schon geschehen.
»Da wäre ich mal nicht so sicher«, murmelte Kevin, dann wurde es still im Raum. Er drehte sich um und sah Carol, dicht gefolgt von Don Merrick, durch die Reihen der an ihren Schreibtischen sitzenden Beamten gehen. Kevin meinte, sie habe seit Wochen nicht mehr so gut ausgesehen. Ihre Haut war frisch, und die Augen glänzten.
Carol blieb beim Schwarzen Brett mit der Information zu den Morden und Fotos von Sandie Foster und Jackie Mayall stehen. Sie sah in die Gesichter, gab sich selbst ein stummes Versprechen und wandte sich ihren Mitarbeitern zu. Sie war schon seit sieben im Büro, hatte an der Planung der verdeckten Aktion gearbeitet und ihre persönlichen Ängste in Bezug auf die Operation unterdrückt, und trotzdem fühlte sie sich noch frisch und auf
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