Toedliche Wut
Investigation in Ohio.« Wir erreichen die Veranda und zeigen ihr unsere Ausweise. »Wir unterstützen den hiesigen Sheriff bei der Suche nach Annie King.«
Die Frau sieht sich die Ausweise genau an, die wässrigen Augen sind stark vergrößert hinter den Brillengläsern. In ihren Tiefen erkenne ich einen klugen Verstand, aber auch eine dunkle Vorahnung. Die Polizei taucht nicht morgens um sechs bei einem zu Hause auf, um übers Wetter zu plaudern.
»Ist der Bischof zu Hause, Mrs Hertzler?«
» Was der schinner is letz? « Was ist denn los? Sie macht die Tür weit auf und bittet uns herein.
Tomasetti und ich betreten eine kleine Küche. Mein Blick fällt auf einen selbstgemachten Holztisch für zwei Personen, grobe Holzregale an der Wand und einen altmodischen Küchenherd. Der Duft von Kaffee und Scrapple, dem traditionellen Amisch-Frühstück aus Maismehl und Schweinefleisch, hängt in der Luft. Ein krummer alter Mann, so dünn wie seine Frau dick ist, sitzt vornübergebeugt vor einer dampfenden Tasse Kaffee. Er ist ganz in Schwarz gekleidet, so dass sein weißer Bart und sein weißes Haar einen starken Kontrast zur Jacke bilden. An ihrer Kleidung sehe ich, dass sie konservative Amische sind, und frage mich, ob sie mit uns im Tahoe zur Farm der Kings fahren oder wir hinter ihrem Buggy herzuckeln müssen – was die Identifizierung um Stunden verzögern würde.
» Guder mariye «, sage ich und neige den Kopf respektvoll.
Beide sehen mich an, als wäre ich gerade von einem anderen Planeten hergebeamt worden. Dass eine Englische in ihre Küche kommt und sie auf Pennsylvaniadeutsch begrüßt, hätten sie nie erwartet.
» Kannscht du Pennsilfaanisch Deitsch schwetzer ?«, fragt der Bischof überrascht.
Ich erkläre ihnen, dass ich aus Holmes County bin – ohne jedoch meine Exkommunizierung zu erwähnen – und den hiesigen Sheriff im Fall der vermissten Annie King unterstütze. »Heute Morgen wurde die Leiche einer jungen Frau gefunden.«
Mrs Hertzler schnappt nach Luft, doch ich spreche weiter. »Wir müssen von Mr und Mrs King wissen, ob es Annie ist.« Ich sehe den Bischof an. »Ich dachte, Sie könnten ihnen vielleicht zur Seite stehen.«
Stille tritt ein, die nur von der knisternden Petroleumlampe und dem Regen, der von der Dachrinne tropft, durchbrochen wird. Die Luft im Raum ist heiß und stickig, doch weder der Bischof noch seine Frau scheinen das zu bemerken.
» Mein Gott «, flüstert Mrs Hertzler. »Gott steh dem armen Kind bei. Gott steh der Familie bei.«
»Wir müssen so schnell wie möglich mit den Eltern sprechen, Bischof Hertzler«, sage ich. »Sie sollen die Nachricht nicht von jemand anderem erfahren. Kommen Sie mit uns?«
Der alte Mann greift nach dem Stock an der Rücklehne seines Stuhls, umfasst mit gichtigen Händen den Knauf und erhebt sich mühsam. »Hol mir meine Bibel.«
* * *
Die Fahrt zur Farm der Kings – in Tomasettis Wagen – verläuft schweigsam und angespannt. Als wir schließlich dort ankommen, ist es fast sieben Uhr. Im Osten steht die Sonne wie ein dampfender orangeroter Ball am Horizont und brennt die letzten Spuren des nächtlichen Gewitters hinweg.
Trotz der frühen Stunde herrscht auf der Farm der Kings schon geschäftiges Treiben. Als wir neben dem Pritschenwagen mit einer einzelnen Milchkanne darauf halten, bleiben zwei Kinder – kleine Mädchen in identischen blauen Kleidern – auf ihrem Weg zur Scheune stehen. Höchstwahrscheinlich müssen sie vor der Schule noch Kühe oder Ziegen melken, doch jetzt sehen sie mit großen Augen zu, wie Tomasetti dem Bischof aus dem Auto hilft.
Ein großer schwarzer Hund mit weißen Pfoten kommt mit heraushängender Zunge auf uns zu gesprungen. Tomasetti tritt schützend vor den Bischof, falls der Hund ihn anspringen und aus dem Gleichgewicht bringen sollte.
Wir sind noch ein Stück vom Haus entfernt, als quietschend die Fliegentür aufgeht und Levi King auf die Veranda tritt. Er sieht ausgezehrt und erschöpft aus. Als er Bischof Hertzler erblickt, geht ein leichtes Beben durch seinen Körper.
»Ist etwas passiert?«, fragt er und kommt eilig auf uns zu. »Geht es um Annie? Haben Sie sie gefunden?«
»Mr King –«, beginne ich, doch er unterbricht mich.
»Bischof?«, sagt er, Verzweiflung in der Stimme. Er bleibt ein paar Meter vor uns stehen und starrt den alten Mann an, als würden Tomasetti und ich nicht existieren. »Warum sind Sie hier?«
»Wir haben die Leiche eines Mädchens gefunden«, ergreife
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