Toedliche Wut
atme tief ein, um den Geruch zu identifizieren – er hat etwas Erdiges, Würziges und ein bisschen Exotisches, und er erinnert mich an den Weihnachtsschinken in meiner Kindheit. Nelken, wird mir klar, und bei dieser Erkenntnis fängt mein Herz heftig an zu schlagen. Ich gehe zurück zu der Feuerstelle, trete über das Mäuerchen hinweg und sehe in das Fass, das bis zur Hälfte mit halbverbranntem Müll gefüllt ist. Mein Blick fällt auf die Reste einer Müslibox, eine angekokelte Brotverpackung, doch der Duft nach Nelken herrscht vor und kommt definitiv aus dem Fass.
Mit dem Fuß stoße ich das Fass um, und Asche fliegt auf, als der Inhalt sich über den Boden ergießt. Mit einem leicht verkohlten Ast stochere ich in den Resten herum, finde ein kleines Stück Gartenschlauch, einen Plastikblumentopf. Als ich mich vorbeuge, um das Fass umzustülpen, fällt mein Blick auf eine halbverbrannte Zigarettenschachtel.
Nelkenzigaretten.
Mit klopfendem Herzen starre ich die Schachtel an, während mein Verstand sich abmüht, mit der Entdeckung klarzukommen. Es ist die gleiche Marke, die Sadie auf der Brücke geraucht hat. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein amisches Ehepaar ein Päckchen Nelkenzigaretten in seinem Müll hat? Die gleiche seltene Marke, die ein verschwundenes Mädchen geraucht hat?
Ich ziehe mein Handy aus dem Gürtelclip und rufe Tomasetti an. »Ich glaube, ich habe etwas gefunden«, sage ich ohne lange Vorrede.
»Ich höre.«
Ich erzähle ihm von den Nelkenzigaretten. »Sadie Miller hat die gleiche Marke geraucht.«
»Wo sind die Masts?«
»Hier jedenfalls nicht.«
Er sagt nichts, schiebt wahrscheinlich die neue Information im Kopf umher auf der Suche nach dem schwer fassbaren Bindeglied, das alles zusammenfügt. »Tomasetti, sie könnten wirklich etwas damit zu tun haben.«
»Du musst dort weg.« In seiner Stimmte klingt Sorge mit, weil ich allein hier bin. »Ich kümmere mich um einen Durchsuchungsbeschluss.«
Ein Donnerkrachen lässt mich zusammenzucken. »Tomasetti, hier fängt’s jeden Moment an zu schütten«, sage ich und mache mich auf zum Explorer. »Ich rufe dich vom Sheriffbüro aus an.«
»Sei vorsichtig.«
»Das weißt du doch«, antworte ich, doch er hat schon aufgelegt.
Lächelnd schüttele ich den Kopf. »Dieser Mann«, murmele ich, öffne die Wagentür und schiebe mich hinters Lenkrad. Ich will gerade starten, als mein Blick auf die offene Tür des Schlachtschuppens fällt.
19.
Kapitel
Im ersten Moment traue ich meinen Augen nicht. Auf dem Weg zur Scheune bin ich daran vorbeigelaufen, und die Tür war ganz sicher zu. Sonst wäre mir das aufgefallen. Natürlich kann der Wind sie aufgestoßen haben, aber das glaube ich nicht.
Also wie ist die Tür aufgegangen?
Um das Rätsel zu lösen, gibt es nur eine Möglichkeit. Ich steige also wieder aus, bleibe kurz neben dem Wagen stehen und lasse den Blick über die Umgebung schweifen. Bis auf den Wind ist alles still und verlassen, doch ich werde das komische Gefühl nicht los, nicht allein hier zu sein.
Auf dem Weg zum Schuppen sind alle meine Sinne aufs äußerste geschärft. Ich halte noch immer das Handy in der Hand, und das Schulterholster unter meiner Jacke drückt beruhigend an meine Rippen.
Ich erreiche die Tür und schaue vorsichtig in den Raum. Drinnen ist es dunkel und riecht schwach nach altem Blut und Dung, die Luft ist stickig. Ich sehe mich um nach etwas, mit dem ich die Tür festmachen kann, doch ich entdecke nichts. Beim Blick auf das Türschloss wird mir klar, dass es – falls nicht richtig zugemacht – durchaus von allein aufgegangen sein kann. Doch ist es das auch?
Eine ganze Minute stehe ich da und lausche. Drinnen tut sich nichts, und bis auf das Heulen des Windes, die über den Boden fegenden trockenen Blätter und das ferne Donnergrollen ist es still.
Der Drang, in den Schuppen zu gehen und mich umzusehen, ist groß. Doch wenn ich mich jetzt nicht korrekt verhalte, könnte es hinterher Probleme vor Gericht geben, sollte es jemals so weit kommen. Ich bin meilenweit entfernt von meinem eigenen Zuständigkeitsbereich, und Tomasetti besorgt einen Durchsuchungsbeschluss. Ich muss nur im Sheriffbüro warten, bis heute Abend eine ganze Armee von Agenten und Spurensicherungstechnikern anrückt und das Grundstück auf den Kopf stellt.
Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass Annie King tot ist und einem anderen verschwundenen fünfzehnjährigen amischen Mädchen vielleicht das gleiche Schicksal
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