Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Julia.
»Sie klingen besorgt«, antwortete Schultheiß. »Nicht dass ich Sie jetzt analysieren möchte, aber gibt es an dem Tod von Frau Löbler irgendetwas, was Ihnen besonderen Kummer bereitet?«
»Das herauszufinden sind wir hierhergekommen«, gab Julia nickend zu. »Frau Löbler ist tot, und wir haben keine Erklärung dafür, warum eine erfolgreiche Geschäftsfrau, gutaussehend, mit einem ebenso erfolgreichen Mann, der zudem eine vielversprechende politische Karriere vor sich zu haben scheint, sich so mir nichts, dir nichts das Leben nehmen sollte. Für einen endgültigen Bericht fehlen uns da noch eine Menge Antworten, und auch für ihren Mann ist die Ungewissheit sicher nicht leicht zu ertragen.«
»Viele gute Gründe, weshalb meine Schweigepflicht nicht über den Tod hinaus gelten sollte, wie?«
»Wenn es keinem schadet …«
»Das zu beurteilen ist ohne ein weiteres Ausplaudern von internen Belangen unserer Patienten leider nicht möglich«, erwiderte Dr. Schultheiß. »Das müssen Sie verstehen, aber wenn herauskäme, dass wir nur eines vagen Ermittlungsauftrags wegen die intimen Geheimnisse von Patienten preisgeben, können wir die Praxis bald dichtmachen. Es gibt genügend Alternativen hier in der Gegend, von meinem Ruf in der Klinik einmal ganz zu schweigen.«
»Die Klinik ist übrigens ein interessanter Punkt«, warf Hellmer ein. »Dort waren wir erst kürzlich in einer anderen Sache. Sie können sich denken, wie erstaunt wir waren …«
»Ein ulkiger Zufall«, nickte der Psychiater, offenbar völlig unbeeindruckt. »Um noch einmal auf Frau Löbler zurückzukommen. Es ist ja nicht so, dass ich Ihnen nicht helfen möchte. Besteht denn die Möglichkeit, dass Sie ein entsprechendes Dokument erhalten, das mich von der Schweigepflicht entbindet?«
»Eine richterliche Anordnung?«, fragte Julia laut und überlegte dann rasch, mit welcher Begründung sie diese erwirken könnte. Sie kratzte sich nachdenklich am Kinn, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir das hinbekommen.«
»Dann fragen Sie doch den Ehemann«, schlug Dr. Schultheiß vor.
»Hat der denn in diesem Fall ein Einsichtsrecht?«, fragte Hellmer irritiert.
»Nein, nicht wegen des Suizids«, lächelte Schultheiß anerkennend. »Aber Respekt. Sie scheinen sich auszukennen.«
»Sie würden sich wundern, wie oft wir über diese Schweigepflicht stolpern«, seufzte Hellmer. »Nichts gegen Sie, prinzipiell steht da eine ehrenvolle Absicht dahinter, aber …«
»… aber im Alltag ist sie oft hinderlich, ich weiß«, lächelte Schultheiß. »Aber wo wir schon einmal beim Spekulieren sind, stellen Sie sich nur einmal vor, es gäbe keine Schweigepflicht. Das wäre das Ende jeder Vertrauensbasis, besonders in unserem Kontext. Wer würde sich denn schon auf die Couch legen wollen, wenn er sich nicht zu hundert Prozent sicher sein könnte, dass seine tiefsten Geheimnisse absolut sicher wären? Wir werden ständig angefragt, von Krankenkassen, Arbeitgebern und Angehörigen, das ist ein Kreuz, das wohl jeder Arzt zu tragen hat. Aber ich kann mich stets auf die unmissverständlich im Gesetz verankerte Schweigepflicht berufen.«
»Sich darauf berufen oder dahinter verstecken?«, erwiderte Julia aus einem Impuls heraus und hätte sich am liebsten auf die Lippe gebissen. Doch Schultheiß reagierte völlig gelassen.
»Beides vermutlich. Es ist natürlich immer einfacher, sich auf Regeln zu berufen, die von einer übergeordneten Instanz stammen. Das erleichtert einem aufgebrachten Anrufer die Akzeptanz. Somit ist es für beide Seiten einfacher.«
»Tut mir leid, das war nicht als Angriff gemeint«, nickte Julia. »Aber so wie ich Sie verstanden habe, sehen Sie trotzdem eine Möglichkeit, wie Sie uns helfen könnten, oder irre ich mich da?«
»Nein, Sie irren nicht. Es gibt eine Schweigepflichtsentbindung gegenüber Herrn Löbler«, erklärte Schultheiß. »Holen Sie sich bei ihm eine Einverständniserklärung, und wir können uns ungehindert unterhalten.«
»Prima!«, rief Julia und erhob sich. »Das ist doch endlich mal eine gute Nachricht. Los, Frank, worauf warten wir noch?«
»Moment«, vernahm sie dann den angenehmen Bariton des Psychiaters.
»Ja?«
»Es kann gut sein, dass Herr Löbler nichts davon weiß, dass es diese Vereinbarung gibt. Sie sollten also sehr behutsam fragen. Für uns ist dieses Formular mehr oder weniger eine Formsache, die wir gleich bei der Neuaufnahme erledigen. Die meisten Patienten
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