Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
parallel liefen? Und dabei kenne ich nur die Namen von Unternehmen und Großanlegern, die kleinen Leute, die von Betriebsschließungen oder Übernahmen betroffen waren, kenne ich doch nicht persönlich. Karl übrigens auch nicht. Ich möchte nicht gefühllos klingen, aber das sind keine Namen, das sind zunächst nur Positionen in der Bilanz. Ein Unternehmen wie unseres lebt nun einmal von Expansion auf der einen und Effizienzsteigerung auf der anderen Seite.«
»Sehr bedauerlich«, erwiderte Julia knapp und meinte damit nicht nur die Tatsache, dass Frau von Eisner ihr nicht mit einem konkreten Namen weiterhelfen konnte. Beide schwiegen eine Zeitlang, bis Sophie das Wort ergriff.
»Karl hat sich um seine Feinde nicht viel gekümmert, wissen Sie?«, sagte sie leise. »Er war ein liberaler Mensch, davon überzeugt, dass jeder mit denselben Chancen geboren wird. Natürlich hat er Glück gehabt – das Vermögen, welches ich eingebracht habe. Aber er hat auch unermüdlich gearbeitet, um dieses Vermögen richtig einzusetzen. Sie kennen ja das Sprichwort: wie gewonnen, so zerronnen. Wenig Kapital erfordert wenig Pflege, viel Kapital hingegen bedeutet nicht nur Wohlstand, sondern in erster Linie harte Arbeit, damit es bestehen bleibt. Auf den Staat darf man sich da nicht verlassen, der hat genug damit zu tun, sich um die Bedürftigen zu kümmern. Viel wichtiger für Karl waren seine Freunde, die wenigen Menschen, auf die er zählen konnte. Hier, schauen Sie!« Sie nahm den hölzernen Bilderrahmen auf, fuhr mit dem Ärmel über das Glas und hielt ihn der Kommissarin auffordernd entgegen. Julia betrachtete die Aufnahme, sie zeigte Karl von Eisner und seine Frau, beide in hellen Tropenhemden und mit Tropenhüten, vor einem in Zebramuster lackierten Range Rover. Neben ihnen, in derselben sandfarbenen Montur, lachte das Ehepaar Löbler in die Kamera. Die beiden Männer stützten sich auf schwarze Jagdgewehre.
»Eine Safari, wie?«, fragte Julia und versuchte zu schätzen, wie alt die Aufnahme sein mochte. Alle Beteiligten wirkten etwa zehn Jahre jünger, das mochte aber auch der sonnigen Atmosphäre und dem ausgelassenen Lachen geschuldet sein.
»Ja, unten in Namibia«, erklärte Sophie von Eisner. »Das Foto ist auf dem Khomas-Hochland entstanden, wir kamen gerade von einem Besuch des Wildreservats, und die Männer brachen dann zur Leopardenjagd auf.«
Wie abartig, dachte Julia angeekelt.
»Tja, und nun sind von den Big Five nicht mehr viele übrig«, seufzte Sophie und nahm das Bild wieder an sich.
»Big Five?« Julia meinte sich zu erinnern, dass es sich dabei um einen Sammelbegriff für die fünf größten Säugetiere Afrikas handelte.
»Ach so, das können Sie ja nicht wissen«, lächelte Frau von Eisner. »Wenn ich von den Big Five spreche, meine ich nicht Elefanten, Nashörner oder Löwen. Seit diesem Trip haben unsere Männer den Begriff für sich beansprucht. Fünf mächtige Vertraute, denen nichts und niemand etwas anhaben kann.« Sie schluckte und fuhr leise fort: »Wie man sich doch irren kann.«
»Verstehe«, nickte Julia. »Aber auf dem Foto sind nur vier Personen abgebildet, steht der Fünfte hinter der Kamera?«
»Nein, so einfach ist das nicht«, wehrte Sophie ab. »Ich gehöre nicht dazu, meine Teilhabe am Geschäft besteht ja hauptsächlich auf dem Papier. Es sind nur Karl, Stefan und Nathalie, der Vierte, der hinter der Kamera stand, lebt leider heute nicht mehr, und dann noch Lars, aber der konnte wegen eines Schlangenbisses nicht mit. Nichts Ernstes, diese Biester lauern dort unten ja praktisch unter jedem Stein, aber …«
»Lars?«, wiederholte Julia argwöhnisch.
»Ja, Lars Manduschek«, nickte Sophie von Eisner bedächtig. »Er ist der Fünfte.«
Donnerstag, 19.10 Uhr
B ei einem Shot alle zehn Sekunden spreche ich nicht unbedingt von einem Video«, seufzte Michael Schreck, der eng an Sabine Kaufmann gekauert vor dem großen Flachbildschirm im Labor der Computerforensik saß. »Das sind bestenfalls Momentaufnahmen, und auf dem allerneuesten Stand der Technik sind sie auch nicht.«
»Sie sind auch sicher nicht dafür gedacht, an einem Fotowettbewerb teilzunehmen«, erwiderte Sabine grinsend. Es waren Momente wie diese, in denen sie sich wohl fühlte, in denen ihr das Leben wirklich lebendig vorkam. Michael Schreck, mit dem sie seit einem halben Jahr liiert war, schien der perfekte Partner zu sein. Geduldig, verständnisvoll und vor allem ohne gleich beleidigt zu sein, wenn man sich einmal
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