Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
ein, zwei Wochen lang nicht treffen konnte. Welcher Mann spielt da schon mit?, hatte Sabine sich oft gefragt. Die Erkrankung ihrer Mutter hielt sie aus dieser Beziehung so gut wie nur möglich draußen; Mom kannte Michael noch nicht einmal. Heiligabend wäre eine Gelegenheit dazu gewesen, erinnerte Sabine sich, aber pünktlich zu Weihnachten hatte sich wieder ein psychotischer Schub der Sonderklasse eingestellt, und damit waren die Feiertage gelaufen gewesen.
Hier in Schrecks Labor, bei ihm zu Hause oder auch, wenn sie in Sabines kleiner Wohnung in Heddernheim mit Pizza und Salat vor dem Fernseher herumlungerten, fühlte die Kommissarin sich frei. Umso leichter war ihr die Entscheidung gefallen, Hellmer und Kullmer vorzuschlagen, noch ein Weilchen im Präsidium zu bleiben.
»Ich muss ohnehin noch ein paar Punkte bei Berger machen«, hatte sie augenzwinkernd gelächelt. Nun klickten sie sich durch das Bildmaterial der Überwachungskameras, es waren Hunderte von Einzelbildern, sortiert und abgelegt nach Zeitindex.
»Dann suchen wir mal den unsichtbaren Dritten. « Michael war ein Filmfan, wie er im Buche stand. Zweifelsohne spielte er dabei auf den Hitchcock-Klassiker an. »Ein Abend zu zweit vor der Flimmerkiste ist zwar nicht dasselbe wie ein netter Abend im Kino, aber besser als gar nichts. Hoffen wir mal, dass wir deinen Cary Grant auch finden, oder wie sieht der Typ noch mal aus?«
»Die Beschreibung war sehr vage«, erklärte Sabine und wiederholte die wenigen Anhaltspunkte. »Aber wir sollten zumindest eine Vorauswahl treffen, morgen bekommen wir mit etwas Glück ein brauchbares Phantombild.«
»Okay, dann geteilter Bildschirm, jeder von uns geht die Bilder einer der beiden Kameras durch. Wir arbeiten mit Kopien, können also alles, was nichts zeigt, sofort löschen. Wollen wir uns auf einen zeitlichen Bereich beschränken?«
»Ja, zuerst halb sechs bis sieben Uhr«, war Sabines Vorschlag. »Anschließend können wir es immer noch ausweiten. Der Typ muss das Gebäude betreten und verlassen haben, allerdings werden die Aufnahmen eine echte Herausforderung. Das ist alles Hauptverkehrszeit in der Lobby«, seufzte sie.
»Da freut man sich ja direkt, dass es pro Kamera nur jeweils sechs Bilder pro Minute sind«, hatte Schreck erwidert und einige Male mit der Maus geklickt. »Dann mal ans Werk, wir haben um die fünfhundert Aufnahmen pro Nase, wer zuerst fertig ist oder einen Treffer landet, bekommt nachher die Cocktails bezahlt.«
Seither war eine Stunde vergangen, und mit wachsender Müdigkeit betrachtete Sabine ein Bild nach dem anderen. Von allen Aufnahmen in dem ursprünglich ausgewählten Zeitrahmen waren es gerade einmal sieben, auf denen ein Mann zu sehen war, dessen Statur und Erscheinungsbild halbwegs zur Beschreibung passten. Sie hatten den Zeitrahmen nach vorne erweitert, es kamen einige Treffer hinzu, jedoch schienen die betreffenden Personen allesamt das Gebäude zu verlassen. Michael bearbeitete derweil die Kamera jenseits des Tresens, er hatte neunundzwanzig Treffer zu verbuchen, allerdings produzierte die wesentlich höher hängende Kamera Fotografien aus der Vogelperspektive. Gesichter, insbesondere die Partien unterhalb der Nasenspitze, waren darauf nicht zu erkennen
»Sollte man dem Sicherheitsdienst vielleicht mal sagen«, brummte Schreck. »Ein anderer Winkel oder ein anderes Objektiv wären da wohl angebracht.«
Um zwanzig Uhr beendeten die beiden ihre Bildanalyse, in dem Dateiordner mit der Vorauswahl befanden sich nunmehr siebenundachtzig Bilder, zu viele, um Margot Bluhm damit noch an diesem Abend zu konfrontieren.
Eine halbe Stunde zuvor hatte Julia Durant genau dort haltgemacht und sich mit der mürrischen Empfangsdame unterhalten.
»Diese Frau, die einige Minuten nach achtzehn Uhr bei Ihnen vorsprach, erinnern Sie sich an sie?«, erkundigte die Kommissarin sich und schob den etwas knittrigen Ausdruck über die polierte Platte. »War das diese Person?«
»Gott, hier kommen so viele Leute durch«, erwiderte die Bluhm augenrollend.
»Aber nicht jeden Tag fällt einer vom Dach«, gab Julia schlagfertig zurück. »Kommen Sie schon, wir sind auf jede Hilfe angewiesen, ganz besonders auf Ihre.«
Margot Bluhm nahm das Papier raschelnd auf und rückte ihre Brille zurecht. Ihre Gesichtshaut war großporig, das Make-up nachlässig aufgetragen. Keine Erscheinung, die man in einem renommierten Gebäude erwartet, dachte Julia. Andererseits war es ja auch nur in der Randzeit, und wer
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