Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
jemanden gesehen, der dem veränderten Bild ähnlich sieht. Das möchte ich heute noch geklärt wissen.«
»Sofort, nehme ich an?«
»Prontissimo.«
Julia fuhr mit dem Fahrstuhl hinab in den Keller, wo sie zielstrebig den tristen Gang entlangeilte, der zu Schrecks Abteilung führte. Sie durchquerte einen großen Raum, der in mehrere kleinere Bereiche unterteilt war. Das technische Equipment glich der Ausstattung populärer Fernsehserien, doch Julia wusste, dass sich zwischen realer und fiktiver Realität Welten befanden. Beinahe wäre sie mit Michael Schreck zusammengerempelt, der um die Ecke eilte und ihr fast in die Arme lief.
»Huch!«, stieß er erschrocken aus. »Das ging aber schnell, ich wollte mir eigentlich noch ein Käffchen gönnen. Sie auch eines?«
»Ja, warum nicht. Oben wird gerade eines kalt, an dem ich kein einziges Mal genippt habe.«
»Nehmen Sie Platz – aber nur gucken, nicht anfassen!«, gebot Schreck lachend, kehrte ihr den Rücken und entfernte sich mit schnellen Schritten. Es vergingen zwei Minuten, in denen Julia fasziniert die unzähligen Kabel, Laufwerke und Stecker betrachtete, die überall vor und neben dem Koloss eines Flachbildschirms verstreut lagen, der an der Wand über der Tischplatte angebracht war.
»Das Neueste vom Neuen, man gönnt sich ja sonst nichts«, vernahm sie Schrecks gemütliche Stimme, danach zog ein angenehmer Duft von Milchkaffee in ihre Nase. »Okay, ich musste ein Dreivierteljahr betteln«, fügte er hinzu, »aber ich habe denen klipp und klar gesagt, dass ich so nicht arbeiten kann und auf Dauer rammdösig werde, wenn ich hier unten ohne Tageslicht Stunde um Stunde vor meiner selbstgebastelten Bilderwand herumvegetiere.«
Die Kommissarin erinnerte sich dunkel daran, dass bei ihrem letzten Besuch in der Abteilung mehrere Monitore miteinander gekoppelt gewesen waren. Das Chaos drum herum hatte sich aber nicht verändert.
»Mmh, danke«, murmelte sie und nahm mit einem schmalen Lächeln die Kaffeetasse an sich.
»Ich verstehe schon, Ihnen pressiert’s, na, dann schießen Sie mal los.« Mit wenigen Klicks öffnete Schreck einige Programme.
»In Ihrem Posteingang befindet sich eine Mail mit dem Phantombild«, sagte Julia, und Schreck öffnete es.
»Ah ja, der dritte Mann. «
»Wohl eher der zweite«, korrigierte Julia. »Das Opfer hatte Besuch von einer Frau und einem Mann, aber Sabine hat Sie sicherlich informiert.«
»Ich bezog das auf diesen Filmklassiker, sorry, hatte mir sonst nichts weiter dabei gedacht. Was soll ich denn nun mit dem Bild anstellen?«
»Einen Bart, etwa so wie …« Julia überlegte kurz, doch ihr fiel spontan nichts Passendes ein. »Reinhold Messner, aber nicht so buschig«, platzte sie dann heraus. »Nein, noch besser, so wie dieser Dr. House, kennen Sie den? Sie als Fernsehfan …«
»Filmfan«, korrigierte nun Michael Schreck. »Aber ja, ich kenne Dr. House. Dann einmal Hugh Laurie bitte.«
Auf dem Monitor erschienen in der Suchmaschine ein Dutzend Fotos des Schauspielers, und mit wenigen Klicks legte Schreck dessen Drei- oder eher Fünftagebart, der struppig und an einigen Stellen graumeliert war, über das Phantombild.
»Sehr gut, und am besten auch die Augenbrauen und gleich die ganze Frisur«, sagte Julia energisch. »Obwohl, die Haare müssten länger sein. Und vor allem dunkler, nicht so grau.«
»Probieren wir einfach ein Bild aus einer der ersten Staffeln«, murmelte Schreck und klickte mit der Maus. »Hier, was halten Sie davon?«
»Sehr gut, etwas zu braun vielleicht, aber schön strubbelig«, nickte Julia.
»Den Farbton passen wir noch an, keine Angst. Hui, das ist plötzlich ein ganz anderer Mensch. Schon unheimlich, wie ein paar Haare an den richtigen Stellen eine Persönlichkeit verändern können. Eben noch geschniegelt und solariumsbraun …«
»… und jetzt?«, konnte Julia sich nicht verkneifen, dazwischenzufragen.
»Weiß nicht. Nicht unsympathisch jedenfalls, aber irgendwie anders. In einem eleganten Dreiteiler sähe er immer noch schick aus, aber er könnte auch ein ganz normaler Kerl sein.«
»Kommt er Ihnen nicht bekannt vor?«, versuchte Julia es beharrlich.
»Nein, überhaupt nicht, tut mir leid. An wen soll mich das denn erinnern?«
»Haben Sie auch einen Ordner mit diesen Überwachungsfotos?«
»Ja klar.«
»Rufen Sie bitte mal die Aufnahmen unmittelbar nach Helene Markov auf.«
Schreck klickte mit einem Schulterzucken in den Ordner und ließ die Fotos wie in einer Diashow
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