Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
sagen, »nicht mehr ganz frisch, aber du hast ein antörnendes Dekolleté, und dein Pfläumchen ist garantiert noch nicht vertrocknet. Jammerschade, dass ich so wenig Zeit habe, sonst hätte ich mal von dir gekostet.«
Hoffnung stieg in Julia auf, und sie blinzelte. Tatsächlich ließ Drechsler von ihr ab, blieb aber vor ihr stehen. »Selbst am Tage des Jüngsten Gerichts ist die Welt ungerecht«, seufzte er. »Karl von Eisner jedenfalls hat vor seinem Abgang noch eine nette Nummer geschoben. Und die hatte er offenbar auch bitter nötig, wenn ich mir überlege, wie voll er das Gummi gemacht hat. Mehr als genug, um es hinterher fein säuberlich in die kleine Möse zu schmieren. Ha! Selbst der gute Manduschek durfte gestern Abend noch mal ran. Ich bin wirklich ein Menschenfreund, denn genau genommen hat er diese Nummer mir zu verdanken. Wäre er gestern nach Hause gefahren, wäre er dort fällig gewesen, aber ich wollte nicht noch ein Mädchen abmurksen.«
»So wie Lara Emmels?«, fragte Julia kühl. »Ihr haben Sie keine Wahl gelassen.«
»Nein, und das bedaure ich zutiefst«, gestand Drechsler ein und setzte eine mitleidige Miene auf. »Ich musste sie opfern, sozusagen als Mittel zum Zweck, es ging nicht anders. Nun, sie hat immerhin eine ganze Weile gut gelebt von Karls Geld, und es wird nun ihrer Mutter zugutekommen. Nichts ist umsonst, wie Sie sehen, selbst der Tod nicht.« Er wandte sich ab und murmelte: »Der schon gar nicht.«
Er schritt zurück zum Becken und setzte seine Rasur fort.
»Wie rührend«, erwiderte Julia trocken. »Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass Laras Mutter keinen Cent von all dem Geld behalten würde, wenn sie dafür ihre Tochter zurückhaben könnte.«
»Überschätzen Sie mal nicht die Huren und Süchtigen«, winkte Drechsler abfällig ab. »Aber es birgt schon eine gewisse Ironie, wenn ich darüber nachdenke. Ich habe Manduschek einen Tag geschenkt, weil ich ihn nicht in einem Stundenhotel mitsamt einer Nutte erledigen wollte. Er wird heute sterben, die Nutte bleibt am Leben und wird niemals erfahren, dass ich allein ihr dieses Recht zugesprochen habe. Hätte ich meine Arbeit gestern aber beendet, säßen Sie nun nicht hier bei mir an einen Stuhl geklebt. Ein echtes Drama, finden Sie nicht? Das hat schon etwas Philosophisches.«
»Quatsch«, erwiderte Julia. »Es ist einfach nur krank und pervers. Sie erwarten doch nicht im Ernst, dass ich Ihnen großmütige Motive zugestehe?«
»Nein, Frau Durant«, lächelte Drechsler matt, der sich soeben den letzten Schaum aus dem Gesicht entfernt hatte. »Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sterben.« Dann lachte er glucksend, ein irritierendes Geräusch, und drehte den Oberkörper in Julias Richtung. Er tauchte den Rasierer in das Becken und schwang ihn plätschernd hin und her.
»Haben Sie das gehört?«, fragte er. »Eines der größten Zitate der Filmgeschichte, wenn Sie mich fragen, und das völlig spontan.«
»Hä?«
»James Bond, Goldfinger, den Streifen kennen Sie doch. Gert Fröbe zu Sean Connery, als dieser unter dem riesigen Laser liegt und fragt, ob nun von ihm erwartet würde, dass er rede. Fröbe antwortet knochentrocken: ›Nein, Mister Bond, ich erwarte von Ihnen, dass Sie sterben.‹ So wie ich eben zu Ihnen.«
»Nur dass Bond seinerzeit überlebt hat, oder?«, gab Julia schnippisch zurück. »So wie bei jedem seiner Gegner, deren Egos ja üblicherweise vor lauter Selbstüberschätzung nur so strotzten. Wer sich selbst permanent überschätzt, der unterschätzt seine Gegenspieler, ein altes Problem, an dem schon so mancher gescheitert ist. Wollen Sie es drauf ankommen lassen?«
»Damit können Sie mich nicht provozieren. Ich habe meinen Rachefeldzug monatelang vorbereitet, akribisch, doch es war letzten Endes das Schicksal, das den Stein ins Rollen gebracht hat. Das ist der einzige Zufall gewesen, eine Fügung, wie ich es nenne, aber seither überlasse ich kein Detail dem Zufall. Ich kenne meine Gegner, ich habe lange genug mit ihnen …«
»Von welcher Fügung reden Sie?«, fiel Julia ihm ins Wort.
»Wie?«, fragte Drechsler verwirrt, »ach so.« Er nickte und holte tief Luft. »Ich rede von meinem Abgang, damals, an Nikolaus. Es waren harte Wochen gewesen, die Krise, Sie wissen schon. Meine kleine Firma, auf Gedeih und Verderb an Löblers und Eisner gebunden, war ab Sommer den Bach runtergegangen, jeden Tag ein Stück tiefer in den Strudel geraten, und dennoch kämpfte ich darum. Ich habe sehr prominente Anleger
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