Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

wurde dort abgelegt, als sie noch warm beziehungsweise beweglich war, es gibt keine Brüche oder Faserrisse, die auf ein Dehnen im Starrzustand hinweisen. Was es aber gibt, sind eine ganze Menge kleiner Frakturen, so an der rechten Wange, vermutlich durch einen harten Schlag, außerdem zeichnen sich Spuren von Würgemalen ab. Ganz schwach, das muss ich noch überprüfen. Die Hämatome an den Armen, am Unterbauch und den Rippen wiederum sind eindeutig. Diese Verletzungen könnten von einer Vergewaltigung herrühren, denn auch im Vaginalbereich sind entsprechende eindeutige Verletzungen vorhanden. Das Problem bei jungen Frauen, die mutmaßlich im Sektor der Prostitution tätig sind, ist leider, dass wir im Nachhinein nicht so genau feststellen können, ob gewisse Verletzungen nicht von Sadomaso-Praktiken herrühren«, seufzte Andrea. Dem konnte Julia nur zustimmen. Ihr fehlte jeder Sinn dafür, wie man sich beim Sex freiwillig verletzen oder gar demütigen lassen konnte. Ungute Erinnerungen drohten in ihr aufzusteigen, und schnell forderte sie die Rechtsmedizinerin mit einem vielsagenden Blick dazu auf, fortzufahren.
    »Okay, so weit zu den sichtbaren Verletzungen«, resümierte diese sogleich. »Die Fotos kann ich euch nachher komplett zur Verfügung stellen, es ist alles dokumentiert. Das mit dem Sperma hatten wir ja bereits besprochen, etwas kniffliger wird es mit der Todesursache. Ich vermag tatsächlich nicht hundertprozentig zu sagen, ob das Mädchen an einem Schlag auf den Hinterkopf gestorben ist oder ob die Kälte auch einen Anteil hatte. Die dritte Möglichkeit ist das Ersticken oder zumindest eine Ohnmacht, die durch Sauerstoffmangel im Gehirn ausgelöst wurde. Eine toxikologische Untersuchung machen wir bereits, bisher sind wir noch auf keine Anzeichen für Drogenmissbrauch gestoßen. Letzten Endes könnte es also darauf hinauslaufen, dass sie unmittelbar nach der Tat leblos in dem Container abgelegt wurde. Mitbekommen hat sie davon gewiss nichts mehr, ob sie aber bereits tot war oder einfach nur bewusstlos, das steht noch in den Sternen. Die Kopfverletzung selbst war allerdings heftig genug, dass sie, falls der Frost das nicht erledigt hätte, höchstwahrscheinlich auch so daran gestorben wäre.«
    »Danke, das ist schon sehr aufschlussreich«, sagte Julia, »denn eines zumindest ist damit klar: Es handelt sich um eine Tat mit Tötungsabsicht. Keiner legt eine Bewusstlose bei angekündigten minus zehn Grad außen ab.«
    »Da stimme ich zu«, nickte Andrea Sievers. »Andererseits kann und darf ich die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Emmels zum Beispiel im Eifer einer heftigen Auseinandersetzung irgendwo dagegengekracht sein könnte. Dazu wäre es hilfreich, den Tatort zu kennen. Solange ich keine Tatwaffe zum Abgleich habe, muss ich auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Verletzung von einem Standmöbel stammen kann. Das wird euch nicht gefallen, denn flugs könnten wir es dann mit fahrlässiger Tötung zu tun haben, stimmt’s?«
    »Könnte darauf hinauslaufen«, kam es mürrisch von Hellmer, »und nein, dieser Gedanke schmeckt mir ganz und gar nicht.«
    »Fahrlässige Tötung, gepaart mit Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung?«, hielt Durant zweifelnd dagegen. »Nein, davon lassen wir uns den Wind nicht aus den Segeln nehmen. Aber ich bitte dich um eines, Andrea«, betonte sie mit ernster Miene, und die Rechtsmedizinerin wandte sich ihr aufmerksam zu.
    »Schieß los.«
    »Wir werden uns wohl bald mit einem halben Dutzend Anwälte herumschlagen müssen, denn wir müssen ein großes Tier auf dem Finanzmarkt in die Mangel nehmen. Ich weiß, dass ich dir das gar nicht extra sagen müsste, und bei Professor Bock würde ich mich das auch nicht trauen«, sie lächelte kurz, »aber ich muss dich bitten, ganz eindeutige und hieb- und stichfeste Ergebnisse zu liefern, aus denen uns kein Winkeladvokat einen Strick drehen kann. Nicht auszudenken, dass der Tod der Kleinen nach einem Verreißen sämtlicher Gutachten als Unfall abgetan wird und mit einer Bewährungsstrafe endet. Dazu hat sie zu viel durchgemacht, das könnte ich nur ganz schlecht verkraften, glaube ich.«
    »Verstehe«, nickte Andrea. »Ich tue mein Bestes.«
    »Wissen wir doch«, lächelte Hellmer.
    »Ich hatte übrigens erwartet, dich erst in der zweiten Januarwoche zu sehen«, wandte Andrea sich noch einmal an Julia. »Dachte, du wärst noch auf Staatsbesuch in der bayerischen Landeshauptstadt. Wie darf ich mir den