Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
hat, aber …«
»Freitag?«, wiederholte Sophie von Eisner spitz. »Wann am Freitag?«
»Oh, das wissen Sie nicht?«, kam es überrascht.
»Doch, doch«, erwiderte sie schnell. »Ich meine die Uhrzeit. Karl hat gar nichts erzählt, dass er sich geärgert hat oder so.«
»Natürlich, oh, das kann ich leider nicht mehr beschwören. Abends eben, er war auch nicht lange da, vielleicht eine Stunde, aber darum geht es ja. Wir finden es nicht gut, dass ein Schlüssel unter dem Briefkasten klemmt. Das macht man heutzutage einfach nicht, ich meine, können Sie Ihrer Zugehfrau nicht einfach einen Ersatzschlüssel machen?«
»Ähm, ja, ich weiß nicht«, stotterte Sophie, »vielleicht bespreche ich das mit meinem Mann.«
»Der Schlüssel ist dort im Kuvert. Ich hätte ihn ansonsten eingeworfen mit einer Notiz, aber so ist es persönlicher. Außerdem haben wir uns dadurch endlich einmal kennengelernt«, lächelte er. »Immerhin sind wir ja quasi Nachbarn, wenn auch nur auf dem Papier.«
»Danke.« Sophie von Eisner hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst, zugleich verspürte sie eine unbändige Wut in ihr aufsteigen.
»Übrigens«, fuhr er lächelnd fort, »Sie haben mir zwar noch keinen angeboten, aber wenn Sie mich nun danach fragen würden, ich glaube, ich würde jetzt gerne eine Tasse Tee annehmen. Ist ziemlich eisig draußen, finden Sie nicht?«
»Entschuldigen Sie bitte«, erwiderte Sophie frostig, »ein Termin, den ich vergaß, Sie verstehen? Wenn das alles ist …« Sie wollte allein sein, konnte die Anwesenheit dieses ungepflegten Mannes kaum mehr ertragen.
»Ja, klar, bitte verzeihen Sie die Störung. Ich breche dann mal wieder auf.«
Was er wollte, hatte er längst erreicht.
Zufrieden lächelnd zog Arthur Drechsler einen Zettel hervor, auf dem er eine Adresse notiert hatte. Er überlegte kurz, schlug sich den Kragen seines dunkelgrauen Fischgratmantels nach oben und verließ das Eisner-Anwesen mit raschen Schritten.
Zwanzig Minuten später schob Sophie von Eisner in Oberrad den Schlüssel in die Eingangstür des Appartements. Mit leichtem Knacken öffnete sich das Schloss, und sie trat ein. Es gab keinen richtigen Flur, nur einen kleinen, hell gefliesten Eingangsbereich mit einem Schirmständer und drei Wandhaken. Kleidung hing keine daran. Durch einen offenen Bogen betrat Sophie das Wohnzimmer, eine ordentlich gestellte Sitzkombination mit dunklen Bezügen und hellen Kissen befand sich darin, über dem Sofa hing eine verkleinerte Replik des Goethe-Porträts von Johann Heinrich Tischbein. Das Original hatte Karl Dutzende Male im Frankfurter Städel Museum bewundert, es inspirierte ihn, wie Sophie wusste. Umso schlimmer, dass es in dieser Bude hängt und nicht zu Hause oder im Büro, dachte sie verbittert.
Sie hatte nach dem Verschwinden des fremden Besuchers nur einige Momente unschlüssig zu Hause verharrt, war dann zur Garderobe geeilt, hatte sich einen Wintermantel gegriffen, aus dem metallenen Wandkästchen den Schlüssel des BMW gefischt und war über den mit reichlich Salz und Schotter gestreuten Weg um die Villa herum zur Garage gelaufen. Das elektrische Tor fuhr nach oben, der dunkle Wagen glänzte wie frisch poliert, und die Scheiben waren eisfrei und unbeschlagen. Selbst im Auto war es dank Standheizung nicht allzu ungemütlich, wobei Frau von Eisner eine gute Fahrerin war, die auch ein kalter Wagen, schlechte Witterung und ungünstige Fahrverhältnisse nicht davon hätten abhalten können, sich auf die Straße zu wagen. In dieser speziellen Situation schon gar nicht, Sophie war in Rage. Bis vor zehn Minuten, besonders, als ihr Besucher beinahe schon höhnisch von einer Zugehfrau gesprochen hatte, hatte sie sich gedemütigt gefühlt, vorgeführt, ein Angriff aus dem Hinterhalt, dem man schutzlos gegenüberstand, und war man auch noch so eine Kämpferin. Doch ihre Stärke war zurückgekehrt, Wut, verletzter Stolz.
Ihr erster Gedanke war gewesen, ins Büro zu fahren und Karl zur Rede zu stellen. Dieses schmierige Arschloch, hatte sie dann aber gedacht, nein, du wirst ihm keine Szene auf seinem Terrain machen, nicht mit den Tussis im Vorzimmer, die sich hinterher genüsslich das Maul zerreißen würden, nicht wie eine Bittstellerin vor den Altar des Meisters treten. Mit jeder Straßenkreuzung, die sie passierte, war sie dankbarer für den Besuch des unbekannten Nachbarn, nach dessen Namen sie nicht einmal gefragt hatte. Oder doch? Sie wusste es nicht mehr, aber wenn, dann musste sie ihn
Weitere Kostenlose Bücher