Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Hoffnung, das Eis ein wenig zu brechen. Sie schloss die Tür und nahm Berger gegenüber Platz.
»Ich wollte Ihnen etwas erklären«, murmelte Berger, während seine Finger mit einem Kugelschreiber spielten. Sein Blick wanderte umher, dann suchte er den Augenkontakt zu Julia und fuhr fort: »An den Kalten Krieg und das sprichwörtliche rote Telefon zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml können Sie sich gewiss auch noch erinnern, oder?«
»Wie?«
»Egal, doofer Vergleich«, winkte Berger ab. »Hören Sie, ich hatte heute schon das Vergnügen, dem Büro des Oberbürgermeisters Rede und Antwort zu stehen …«
»Sie? Das macht doch normalerweise eine andere Etage, oder?«
»Wenn ich’s doch sage«, beharrte Berger. »Es war auch nicht schlimm, absolut konstruktiv, das kann man nicht anders sagen. Aber es hatte auch etwas von Kontrolle. Normalerweise, da gebe ich Ihnen recht, muss ich mich ja nur intern mit den Häuptlingen herumärgern, aber momentan steht hier alles kopf wegen der Wahlen. Der nächste Anruf wird nicht lange auf sich warten lassen. Ich sage es Ihnen, Frau Durant, wir werden auf Schritt und Tritt überwacht. Und das kotzt mich gewaltig an, aber ich kann’s nicht ändern. Sie haben doch selbst lange genug hier gesessen, um das zu verstehen.«
»Zu lange, wenn Sie mich fragen«, nickte Julia. »Aber wir müssen unsere Arbeit machen, und Sie haben auch keinen Grund zu der Annahme, dass irgendwer Cowboy und Indianer spielen wird.«
»Nein, das sicher nicht. Ich möchte auch nicht der Korinthenkacker oder Paragraphenreiter sein und in jeder Dienstbesprechung rummeckern. Aber wir ermitteln nun mal in einem hyperempfindlichen Umfeld, das ist wie mit Hornissen. Einmal aufgeschreckt, geht’s richtig zur Sache.«
»Hornissen stehen aber unter Naturschutz. Ich hoffe, falls wir jemanden verhaften wollen, kämpfen wir nicht gegen zusätzliche Barrieren an, nur weil in ein paar Wochen Wahlen sind. Dafür gebe ich mich nicht her.«
»Brauchen Sie auch nicht, das garantiere ich Ihnen. Wenn ich mich darauf verlassen kann, dass Sie als leitende Ermittlerin meinen Standpunkt im Auge behalten, werde ich mich guten Gewissens vor Sie stellen, wenn’s haarig wird.«
»Und dafür musste ich jetzt noch mal antanzen?« Julia lächelte versöhnlich.
»Ich wollte das nur noch mal klargestellt haben.« Auch Berger lächelte. »Und jetzt raus mit Ihnen, bevor das hier zum Kaffeekränzchen wird.«
Um zwanzig nach zwei – Hellmer hatte vorher noch bei einem Bäcker gehalten, wo sie sich belegte Brötchen gekauft hatten – erreichten die Kommissare die Wohnsiedlung an der Darmstädter Landstraße, auf deren gegenüberliegender Seite in einer großen Halle mit verglaster Front die Kessel der Brauerei zu sehen waren und dahinter der Henninger-Turm.
»Na, Heimatgefühle?«, neckte Hellmer seine Kollegin.
»Quatsch«, gab Julia zurück, »und außerdem hat’s mich nie so weit südlich verschlagen. Sind wir hier überhaupt noch zuständig?«
»Keine Sorge, alles im grünen Bereich. Was mich nur wundert: Ohne Job lebt sich’s hier sicher nicht billig, oder? Sind keine 08/15-Wohnungen, zumindest sieht es nicht danach aus.«
Der Hausverwalter, den die Kommissare zur Öffnung der Wohnungstür bestellt hatten, erwartete sie bereits.
»Wie viele von Ihnen kommen denn noch?«, erkundigte er sich, und seine düstere Miene verriet, dass er sich seinen Alltag als Rentner weitaus ruhiger vorgestellt haben musste. Er ging gebückt und murmelte im Gehen etwas davon, dass er heute schon zum zweiten Mal quer durch die Stadt fahren musste.
»Wenn es nach uns geht, war’s das«, grinste Hellmer, und Julia vermutete, dass der Kommentar des Hausverwalters auf die Kollegen der Spurensicherung anspielte.
»Hinterher einfach zuziehen«, kommentierte dieser knapp, nachdem die beiden eingetreten waren. Er lugte neugierig ins Innere. »Darf ich jetzt endlich mal rein und die Heizkörper runterdrehen? Schlimm genug, dass es hier drinnen so stickig ist, aber solange hier niemand wohnt, müssen wir nicht ins Leere heizen.«
»Wir erledigen das«, wehrte Hellmer ab und sah dem Mann noch einen Augenblick hinterher, bis er im Treppenhaus verschwunden war. Das Achtfamilienhaus hatte zwei Etagen, vier Wohnungen unten und im gleichen Schnitt noch welche darüber. Er schätzte sie auf achtzig Quadratmeter, von draußen klang kaum Verkehrslärm. Wahrscheinlich kriegt man dafür jedes Flugzeug mit, sinnierte er, dann folgte er Julia, die sich
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