Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Andererseits, zu diesem Schluss war Julia gekommen, war es auch nicht allzu schwer, einer Straße durch einen Wald zu folgen, wenn es der einzig geräumte und geteerte Weg weit und breit war.
»Puh, ganz schön altes Anwesen, oder?«, sagte sie leise, nachdem sie den abgetretenen Boden begutachtet hatte, die schlichten, bestimmt schon Dutzende Male übertünchten Wände und die Decke, an deren Stellen sich so mancher verspachtelte Riss abzeichnete.
»Keine Ahnung«, erwiderte Sabine knapp. »Hat schon irgendwie Stil.«
»Ist allemal besser als eine sterile, leblose Klinik«, stimmte Julia ihr zu. »Ich hatte eigentlich auf ein Empfangskomitee gehofft«, fügte sie nachdenklich hinzu. »Es ist sicher nicht erwünscht, dass hier jeder reinmarschieren kann, oder?« Sie warf einen prüfenden Blick auf ihre Uhr, sie waren knapp zehn Minuten zu spät, aber damit musste man bei diesen Witterungsbedingungen schließlich rechnen. Bevor sie sich weitere Gedanken machen musste, näherten sich rasche Schritte. Eine etwa gleichaltrige Frau, etwas größer vielleicht, dafür auch ein wenig runder um die Taille, kam ihnen entgegengeeilt. Sie trug einen weißen Kittel, der offen über ihre Hüfte hing und durch die Bewegung leicht flatterte. Ihr einst braunes, nun jedoch deutlich graumeliertes Haar war schulterlang und wurde nur von zwei unscheinbaren Spangen geschmückt. Plötzlich erhellte sich ihr Gesicht zu einem freundlichen Lächeln, und sie winkte den beiden Kommissarinnen zu. Sabine, die Julia einen Schritt voraus war, zuckte zusammen und verlangsamte ihren Gang.
»Sag mal, ist Dr. Breyer nicht ein Mann?«, raunte Julia ihr zu. Da erklang bereits die Stimme der Fremden.
»Frau Kaufmann, guten Tag«, nickte sie und schien sich dabei aufrichtig zu freuen, »das ist …«
»Das ist meine Kollegin Julia Durant, Mordkommission Frankfurt«, unterbrach Sabine sie schnell und deutete neben sich auf die verblüffte Julia. »Wir haben einen Termin mit Dr. Breyer.«
»Äh, ach so, natürlich«, nickte die Dame und zögerte kurz. »Ich vertrete ihn kurzfristig, ein Termin, ähm, ich hoffe, Sie mussten nicht warten?«
»Wir sind eben erst eingetroffen«, klinkte sich Julia in das Gespräch ein, die noch immer ein wenig verdutzt war, denn sie war es gewohnt, zuerst sich selbst und dann ihren Partner vorzustellen, inklusive Dienstausweis und korrekter Dienstbezeichnung. Sie sammelte sich und fuhr fort: »Dr. Breyer sollte uns zu Frau Markov begleiten, wir müssen sie dringend sprechen, ich gehe davon aus, er hat Sie informiert?«
»Ja, natürlich«, nickte die Ärztin, auf deren Namensschild Julia nun den Namen Meurer lesen konnte.
»Dr. Elisabeth Meurer, entschuldigen Sie«, stellte sie sich vor, als sie Julias Blick bemerkte. »Natürlich wurde ich von dem Termin in Kenntnis gesetzt, ich habe Ihre Namen notiert, nur über weitere Details hat mir Dr. Breyer nichts gesagt. Es geht um eine Ermittlung?«
»Ja, das ist korrekt«, nickte Julia. »Wir müssen Frau Markov leider mitteilen, dass ihre Tochter nicht mehr am Leben ist. Dr. Breyer ist ihr behandelnder Arzt?«
»Ja und nein«, antwortete Dr. Meurer. »Es ist nie ein einziger Arzt für einen Patienten oder eine Patientin zuständig, wir haben schließlich Betreuung rund um die Uhr, das ist also eine Teamsache. Aber es stimmt natürlich, dass jeder von uns Ärzten eine gewisse Anzahl an Personen formell betreut, das wollen die Kassen so, und da ist mein Kollege tatsächlich der Hauptverantwortliche. Frau Markov und er haben einen guten Draht zueinander, möchte ich behaupten, aber mit mir kommt sie auch gut zurecht.«
»Können Sie uns denn etwas über Frau Markovs Krankheitsbild sagen«, erkundigte sich Julia. »Wir wissen genau genommen überhaupt nichts und hatten bereits Schwierigkeiten, sie überhaupt ausfindig zu machen.«
»Wer nicht gefunden werden möchte …«, begann Dr. Meurer nachdenklich, dann aber unterbrach sie ihren Satz und setzte neu an: »Fragen Sie sie am besten selbst. Sie wissen schon«, sie lächelte schmal, »die Schweigepflicht.«
Sie durchquerten einen weiteren Flur und kamen in einer Art Pavillon zum Stehen.
»Frau Markov weiß, dass zwei Kripobeamte mit ihr sprechen möchten«, erklärte Dr. Meurer. »Mehr aber nicht. Sie wollte Sie ausdrücklich nicht in ihrem Zimmer empfangen, sondern hier in unserer Cafeteria. Ich werde das Gespräch begleiten, aber nicht eingreifen, es sei denn, Frau Markov benötigt Unterstützung.«
»Sie
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