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Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz , Daniel Holbe
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Heuschrecken, wie Brack wusste. Sie konnten sich zu einer Plage biblischen Ausmaßes entwickeln, und gerade dann, wenn man sich abgeschottet und sicher fühlte, drangen von irgendwoher noch welche ein.
    Doch da geschah etwas Unerwartetes.
    »Gehen Sie durch«, vernahm Brack eine gleichgültige Stimme, die nicht zu Frau Schubert gehörte. Verdammt, es ist nach achtzehn Uhr, fiel ihm ein. Die Abendablösung war da, eine mürrische alte Ziege, unfreundlich und ohne jeglichen Elan, sich selbst beweisen zu müssen. Margot Bluhm war Ende fünfzig, eine verwelkte Blume: eine emotionslose Ehe, zwei Kinder und eine ebenso emotionslose Scheidung lagen hinter ihr, so viel hatte Brack in Erfahrung bringen können. Auf dieselbe Art und Weise verrichtete sie ihre Spätschichten am Empfang, bis um zweiundzwanzig Uhr schließlich der Wachdienst übernahm.
    Er biss sich auf die Lippe, als er den Tresen ebenfalls erreichte, denn er hätte am liebsten gefragt, wer die geheimnisvolle Fremde war. Doch er konnte nicht, nicht heute, nicht bei der alten Bluhm, die wieder ganz besonders unzufrieden aussah. Weihnachten alleine, Silvester alleine, kombinierte Brack, da steckt eine Menge Frust drinnen.
    »Ich mach dann Schluss für heute«, nickte er knapp. »Ich gehe unten raus, wenn’s recht ist.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, trabte er weiter in Richtung Treppenhaus.

Dienstag, 17.55 Uhr
    J ulia betrat die modern, aber gemütlich eingerichtete Wohnung ihrer Freundin Alina Cornelius, die sich in einem mehrstöckigen Wohnhaus unweit des Präsidiums befand. Sie hatte ein paar Telefonate geführt, E-Mails abgerufen und war dann mit dem Auto dorthin gefahren, um hinterher keine Zeit zu verlieren. Julia fror, sie befürchtete, dass eine Erkältung anrollte, vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie nichts Vernünftiges gegessen hatte. Du brauchst dringend eine Badewanne und ein paar Vitamintabletten, sagte sie sich. Doch zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen, wobei es weitaus unangenehmere Pflichten gab, als den Abend mit einer Freundin zu verbringen. Ganz gleich, ob dienstlich oder nicht.
    Alina Cornelius, die eine florierende psychologische Praxis unterhielt, teilte einige Erinnerungen mit der Kommissarin, die beide Frauen nur allzu gerne verdrängten. Einige Jahre zuvor, im Frühsommer 2007, waren sie Opfer eines Entführers geworden, ein wahnsinniger, sadistischer Mensch, der zahlreiche Frauen gequält und ermordet hatte. Die Rettung war in letzter Sekunde gekommen, zu spät für viele seiner Opfer, aber rechtzeitig für Julia und Alina. Doch das entsetzliche Gefühl des Ausgeliefertseins und die Erfahrung massiver sexueller Gewalt waren unvergesslich in ihre Seelen gebrannt. Julia Durant hatte eine düstere Zeit mit langen Gesprächen bei verschiedenen Psychologen hinter sich. In einer dieser Phasen hatte sie sich die Schuld daran gegeben, dass der Täter Alina nur entführt hatte, um damit sie selbst zu treffen. Eine andere Phase folgte, in der Julia Alina dafür hassen wollte, dass sie ohne eine vollzogene Vergewaltigung aus der Sache gekommen war. Doch diese Gefühle waren nur kurzlebige, verzweifelte und letztlich vergebliche Versuche gewesen, zu verstehen, warum ein Mensch zu solchen Taten überhaupt fähig war. Letzten Endes hatten beide Frauen einander über ihre traumatischen Bürden geholfen, beide in dem Bewusstsein, dass sie nie jemand besser verstehen konnte in dem, was sie durchlebt hatten. Von dieser Freundschaft zehrte Julia vor allem an Tagen, an denen es ihr schlechtging und die Erinnerung zurückkam.
    Offenbar ging es der Psychologin ähnlich, denn sie hatte nicht einmal in ihren Kalender sehen müssen, als Julias Anruf gekommen war. »Ich bin um fünf spätestens daheim«, hatte sie freudig verkündet, »na ja, lass es halb sechs werden. Dann etwas aufhübschen, aber von mir aus kannst du einfach rüberkommen, wann es dir passt. Ich habe einen leckeren Glühwein da, selbst angesetzt, nicht das pappsüße Zeugs aus dem Laden. Ja, ich freu mich auf dich.«
    Glühwein. Julia schmunzelte, als sie sich daran erinnerte. Vielleicht die bessere Alternative zu Badewanne und Vitaminpillen.
    Die beiden Freundinnen umarmten sich zur Begrüßung, Wangenkuss links, Wangenkuss rechts. Julia hatte sich nie so recht mit dieser intimen Form der Begrüßung anfreunden können, doch ihre einjährige Auszeit in Südfrankreich hatte sie in vielerlei Hinsicht entspannter werden lassen. Für einen voreingenommenen Fremden, so kam es

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