Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Aber checkt das mal mit seinem Hintergrund, vielleicht lohnt es sich.«
»Machen wir doch sowieso. Zumindest so weit, wie uns die Anwälte lassen. Aber ich denke mal, dass uns seine Frau noch ein wenig mehr verraten wird. Sie wirkte ziemlich verletzt durch diese Affäre, andererseits hat sie uns erzählt, dass sie eine Art offene Ehe führen würden. Jedenfalls kamen wir da bislang noch nicht weit.«
»Nun, das ist in den meisten Fällen eine sehr einseitige Vereinbarung«, warf Alina ein. »Das Thema habe ich in meinen Sitzungen immer wieder, und du glaubst gar nicht, auf was für Ideen manche Menschen kommen! Nicht dass ich prüde wäre, dafür kennst du mich gut genug, aber so manchmal … na, wie auch immer. Der Punkt ist, dass in der Regel Männer fremdgehen wollen und sich das irgendwie schönreden möchten, um keine Gewissensbisse zu haben. Offene Ehe klingt da doch passabel, oder auch die klassische Vereinbarung, dass man alles tun darf, solange der Partner davon nichts mitbekommt. Der Haken dabei ist, dass spätestens, wenn eine Frau sich ebenfalls einen Lover sucht, dem Mann vor Eifersucht der Kragen platzt. Über Rollenmodelle brauche ich mich ja nun wahrscheinlich nicht auszulassen, aber ein Mann hat eben meist eine etwas andere Vorstellung von Treue, Besitz und Partnerschaft als eine Frau. Vielleicht«, fügte sie nachdenklich hinzu, »sollte ich mal einen Ratgeber schreiben.« Dann lachte sie spitz und ergänzte: »Die gibt es wie Sand am Meer, es kommen immer wieder neue, und drinnen steht stets dasselbe. Aber geändert hat sich in all den Jahrhunderten kaum etwas.«
»Wir haben noch eine lange Durststrecke vor uns, ich seh’s schon«, winkte Julia müde ab. »Und als wäre das nicht genug, muss sich dann auch noch jemand umbringen.«
»Der zweite Fall?«, hakte Alina nach.
»Ja. Tote Frau in Badewanne, Pulsaderschnitt. Hinweise auf körperliche Misshandlung im Vorfeld und zwei anonyme Meldungen über häusliche Gewalt. Diese konnten jedoch nicht bestätigt werden. Auch so eine vertrackte Angelegenheit.«
»Verstehe. Augenscheinlich ein Suizid aus Verzweiflung, in diesem Fall die schlimmste Form des Selbstmords, weil der Verursacher ungestraft davonkommt. Sehe ich das richtig?«
»Ich fürchte«, bestätigte die Kommissarin düster.
»Möchtest du darüber reden?«
»Eigentlich nicht. Irgendwie habe ich keine Kraft mehr, uns fehlen auch noch die Untersuchungsergebnisse, vielleicht kommen Hellmer und Kullmer ja morgen mit einem Erfolg zurück. Die befragen heute noch mal den Ehemann, auch so ein hohes Tier in Politik und Wirtschaft.«
»Armer Berger«, grinste Alina, die Julias Kollegen im Zuge eines früheren Falles allesamt schon einmal kennengelernt hatte. »Das bereitet ihm sicher Magengeschwüre.«
»Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen«, erwiderte Julia trocken.
»Dann erzähl mal was von dir«, forderte Alina und prüfte mit einem raschen Blick den Pegelstand des Glühweins in ihren Gefäßen. »Aber warte, ich hole uns erst noch Nachschub«, lächelte sie und verschwand.
Dienstag, 18.25 Uhr
A rthur Drechsler vernahm gedämpfte Stimmen durch die geschlossene Tür und hielt für eine Sekunde inne. Er runzelte die Stirn, denn er hatte nicht damit gerechnet, zu dieser Zeit noch jemanden anzutreffen. Doch er war auch auf diese Situation vorbereitet. Er fuhr sich über die unrasierte Wange und zog sich seinen Schal hinauf bis unter die Nase. Innen vernahm er das Keifen einer Frauenstimme, er atmete tief ein und langsam wieder aus und öffnete dann die Tür.
»… gottverdammtes Schwein!«, rief die mit einem Tuch verhüllte Frau, Arthur ließ seinen Blick durch den Raum rasen, versuchte in Windeseile die Situation zu überblicken. Auf dem Boden kniend, mit dem Blick hinaus auf die nächtliche Stadt, kauerte Karl von Eisner, angespannt, bebend, aber mucksmäuschenstill. Sein Nacken zuckte, als wolle er sich umdrehen, um die nahende Rettung zu Gesicht zu bekommen, doch er schien sich nicht zu trauen. In den zitternden Händen der Frau lag ein Revolver, silbergrau. Arthur vermutete eine Trommel mit sechs Patronen. Die Fremde fuhr erschrocken zu ihm herum, umklammerte die Waffe mit verkrampften Fingern. Ihre Augen waren alles, was Arthur sehen konnte, der Rest lag unter dem Stofftuch verborgen. Das Make-up war tränennass, der Lidschatten verschmiert. Er erschrak, denn die Mündung zeigte genau auf seine Brust, wankte dabei um einige Zentimeter nach oben und nach unten, doch wo immer
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