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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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da?«
    »Cathrine Price von der Polizei.« Cathrine hoffte, dass ihr Deutsch sich einigermaßen glaubhaft anhörte.
    Stille. Dann knackte es erneut. »Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass Sie sich extra herbemühen.« Die Stimme, die ihr antwortete, war von unbestimmbarem Alter.
    Von Tom wusste Cathrine, dass die Stimme das Organ des Menschen ist, das zuletzt altert und deshalb keine Rückschlüsse auf das Alter einer Person zulässt. Folglich konnte diese Stimme durchaus dem Mann gehören, den Tom ihr beschrieben hatte. »Darf ich reinkommen?«
    Erneute Pause. Sie hörte den Mann schwer atmen. Plötzlich brummte es. Die Tür öffnete sich und Cathrine trat ein.
    Der Mann, der ihr öffnete, hatte nichts mit der Personenbeschreibung gemein, die Tom ihr gegeben hatte. Er war dünn, vermutlich über sechzig, mit einem Kranz brauner Haare und einer altmodischen Brille mit Goldfassung. Er schien ein Ekzem zu haben, denn die Haut seines Gesichts schuppte sich.
    Die Wohnung, die sicher seit mehr als fünfzig Jahren nicht mehr renoviert worden war, war voller Bücherstapel. Bücher türmten sich nicht nur in den Regalen, sondern auch in Säulen unterschiedlicher Höhe in Wohnzimmer und Flur.
    »David Goldberg«, sagte der Mann und streckte ihr einen Moment lang die Hand hin, zog sie dann aber wieder zurück. »Kommen Sie«, sagte er und ging vor ihr ins Wohnzimmer, in dem die Gardinen zugezogen waren. Ein schmaler Streifen Sonnenlicht fand seinen Weg durch einen Spalt zwischen den Vorhängen und ließ die dicke Schicht Staub erkennen, die sich in Goldbergs Wohnzimmer abgesetzt hatte.
    »Ich habe die Polizei angerufen. Eigentlich wollte ich auf die Wache gehen, aber das kam mir dann doch übertrieben vor. Es geht doch nur um einen verschwundenen Pass.«
    Cathrine hielt es für das Beste, vorläufig nichts zu sagen, sondern den Mann seine Geschichte zu Ende erzählen zu lassen.
    »Ich habe vor einiger Zeit einen neuen Pass beantragt, aber als ich ihn abholen wollte, war er mit einem Mal nicht auffindbar.« Goldberg verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zur Seite.
    Cathrine bemerkte, dass er sie nie direkt ansah. »Ist das schon lange her?«
    »Mehr als einen Monat. Vielleicht noch länger, wenn ich mich richtig entsinne.«
    »Und Sie waren in der Zwischenzeit nicht im Ausland?«
    »Wie sollte das möglich sein, ohne Pass? Nein, ich bin in letzter Zeit nicht verreist.«
    Cathrine musterte Goldberg, der noch immer die Arme um sich geschlungen hatte, als friere er. Dieser Mann war wirklich entsetzlich schüchtern, schien aber die Wahrheit zu sagen. »Sie sind in Wien der Einzige, der David Goldberg heißt.«
    »Wirklich? Das wusste ich nicht.« Im Gesicht des Mannes zeichnete sich so etwas wie Stolz ab.
    »Vor ein paar Tagen ist ein David Goldberg von Oslo nach Wien geflogen. Das waren demnach nicht Sie?«
    »Nein.« Zum ersten Mal antwortete David Goldberg ohne jede Scheu und sah ihr dabei direkt in die Augen.
    Cathrine nahm einen Kugelschreiber und ein Post-it aus ihrer Tasche, auf das sie ihre Telefonnummer schrieb. »Sie sollten Ihre Kontoauszüge überprüfen und nach Unstimmigkeiten suchen. Rufen Sie mich an, wenn Sie auf etwas stoßen.«
    Es roch abgestanden und verbraucht in der Wohnung, nach menschlichen Ausdünstungen. Cathrine ging zur Tür.
    »Ich danke Ihnen.« Der Mann stand reglos da, seine Arme hingen an seinem Körper herab. Er sah sie nicht an. »Auf Wiedersehen.«
    Unten auf der Straße blieb Cathrine stehen und beratschlagte mit sich selbst: Hatte sich jemand eine fremde Identität verschafft? Das würde Toms Theorie stützen. Sollte sie gleich zu Lochmann gehen oder erst noch weitere Nachforschungen anstellen? Vermutlich war es besser, etwas mehr in der Hand zu haben als einen verschwundenen Pass. Sie warf einen Blick auf ihre Adressliste. Am besten fuhr sie jetzt erst einmal in den 3. Bezirk und stattete einem der Rudi Maier einen Besuch ab.
     

Überraschende Begegnungen
    Tom hatte den ganzen Morgen in einem kleinen Café in der Gärtnerstraße verbracht, von dem aus er Rudi Maiers Wohnung im Blick hatte. Er meinte, Bewegungen hinter den Gardinen ausgemacht zu haben, war sich aber nicht sicher. Auf jeden Fall war niemand aus dem Haus gekommen, seit er an seinem Platz saß. Er bestellte noch einen Einspänner, löffelte die Sahne vom Kaffee und blätterte zum siebten Mal die Zeitung durch.
    Es war ein stiller Vormittag, und für eine Weile vergaß Tom, dass er der meistgesuchte Mann

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