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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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zurück, während aller Augen noch auf Kamarov gerichtet waren. Wer auch immer der Verrückte gewesen war, der geschossen hatte – er hatte es eigentlich auf ihn abgesehen, und Kamarov war nur in die Schusslinie geraten.
    Tom zog Maria zum Inspiziententisch, dem technischen Steuerzentrum der Opernaufführung. Er fand den Knopf für den Eisernen Vorhang und drückte ihn, ohne zu zögern. Der Stahlvorhang setzte sich in Bewegung. Auf dem Tisch stand ein Mikrofon. Er legte ein Taschentuch darüber, damit seine Stimme verfremdet wurde, atmete tief durch und drückte den Sprechknopf: »Meine Damen und Herren, hier spricht der Inspizient. Tom Hartmann hat sich soeben ergeben. Wir bitten Sie alle, das Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen. Ich wiederhole, das Publikum wird gebeten, das Gebäude auf schnellstem Wege zu verlassen.«
    Das Publikum zögerte nicht. Zweitausend Menschen setzten sich gleichzeitig in Bewegung.
    Tom öffnete eine Seitentür und rannte, Maria vor sich herschiebend, über den Flur. Sie wehrte sich nicht, war noch zu benommen von dem Anblick ihres zu Boden gehenden Vaters und ihrer Mutter, die sich beinahe zeitgleich aufgerichtet hatte.
    Im Flur stand ein Garderobenständer mit Hosen, Militärhemden, Mützen, an der Wand daneben ein Schminktisch mit Make-up und verschiedenen Perücken. Einer plötzlichen Eingebung folgend, ergriff Tom eine Perücke mit langen Haaren und setzte sie sich auf den glatt rasierten Schädel. Er nahm sich einen Schwamm und eine Dose hautfarbene Schminke und verpasste sich eine stümperhafte Grundierung. Anschließend fuhr er mit einem Kajal-Stift über den Rand von Ober- und Unterlid. Das Resultat war nicht schlecht. »Ziehen Sie das über.« Er reichte Maria ein blaues Sporthemd, eine grüne Militärjacke und eine Wollmütze. »Stecken Sie Ihre Haare in die Mütze!«, befahl er. Er selbst zog sich einen grauen Militärmantel mit Schulterklappen und zahllosen Taschen an.
    Plötzlich hörten sie das Trampeln von Stiefeln auf der Treppe. Tom drückte verzweifelt die Klinken der Türen, die vom Flur abzweigten. Alle verschlossen! Die Schritte näherten sich. Er hörte Funksprüche, Befehle. Dann kamen sie zum Vorschein, vier Männer in schwarzen Kampfanzügen, weißen Handschuhen und Sturmhauben unter Helm und Visier, sodass nur ihre Augen zu sehen waren. Die Mündungen ihrer Maschinengewehre waren direkt auf sie gerichtet.
    »Wenn Sie ein Wort sagen, sprenge ich uns beide in die Luft«, raunte Tom Maria zu. Ihre Hand fest umklammert, zog er sie den Soldaten entgegen, die ihnen befahlen stehen zu bleiben. Tom hatte nur eine Sekunde, um zu reagieren, und sie kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Er kniete sich hin und zog auch Maria auf die Knie. Dann hob er die Hände und rief: »Gnade, wenn Sie Terroristen sind, Gnade! Töten Sie uns nicht! Wir sind zwei unschuldige Chorsänger!« Er hoffte, dass sein Akzent ihn nicht verriet.
    Da senkten die Soldaten ihre Waffen, und einer von ihnen sagte: »Sie können das Gebäude verlassen. Elmar, bringst du sie raus? Nimm aber vorher ihre Personalien auf.«
    Der so angesprochene Soldat nickte. Die drei anderen hasteten über den Korridor weiter in Richtung Bühne. »Beeilen Sie sich. Es ist nicht sicher hier.« Der Cobra-Soldat schob sie ungeduldig über den Flur.
    »Einen Moment noch. Ich will nur rasch mein Kostüm ablegen.« Tom nickte in Richtung einer Tür, die die Aufschrift »Chor« trug.
    »Wenn’s schnell geht.«
    Mit einem leichten Druck seiner Hand, die immer noch auf Marias Schulter lag, gab Tom ihr zu verstehen, dass sie vorgehen sollte.
    »Die Frau bleibt hier.«
    Doch Maria und Tom waren bereits in der Garderobe verschwunden.
    Der Soldat namens Elmar stürzte ihnen nach und blieb wie angewurzelt stehen. Vor ihm stand Tom, das Handy in der einen Hand, mit der anderen Maria fest umklammert: »Legen Sie die Waffe auf den Boden, sofort.«
    Der Soldat, der augenscheinlich wenig Lust hatte, sein Leben als Bombenopfer zu beenden, gehorchte.
    »Ziehen Sie sich aus! Langsam. Eine hektische Bewegung, und wir drei hier sind Staub. Ich habe absolut nichts zu verlieren!«
    »Bitte«, flüsterte Maria. »Tun Sie, was er sagt.«
    Der Soldat nahm Helm und Sturmhaube ab. Sein Schädel war glatt rasiert, sodass Tom sein Alter nur schwer schätzen konnte. Doch ohne den Cobra-Look fehlte ihm jegliche Autorität, und sie war gänzlich dahin, als er in bloßer Unterhose dastand.
    »Legen Sie sich auf den Bauch, die Hände auf dem Kopf.« Tom

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