Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
Amtsstube aber nicht in erster Linie verlassen, um mit dir an einem Tatort herumzuspazieren. Was ist vor Gericht passiert, verdammt?«
Ich erzählte es ihr.
»Uff«, seufzte sie, als ich fertig war. »Armer Stoner. Er hat es in letzter Zeit nicht leicht gehabt.«
»Du kennst ihn?«
»Wir haben in Hollywood zusammengearbeitet. Netter Typ und wirklich ein großartiger Polizist.«
»Ist es glaubwürdig, dass er kein Theater macht, wenn wir mit dem Fall baden gehen?«
Bailey zögerte, was mich nicht gerade beruhigte.
»Nun?«, fragte ich ungeduldig.
»Doch, ja, er wird es vermutlich akzeptieren«, sagte sie. Dann hielt sie an und blickte die Straße entlang. »Er lebt in Scheidung, eine wirklich unerquickliche Geschichte. Deshalb ist er ein bisschen … verstört. Sonst wäre er nie auf diesen Dummbeutel von einem Staatsanwalt losgegangen, da hätte der noch so dämlich daherreden können.« Bailey steckte die Hände in die Manteltaschen und sah zu Boden. »Du hast ihm allerdings einen echten Gefallen getan, indem du seinen Fall wieder aus dem Mülleimer gefischt hast. Was ihn angeht, bist du kugelsicher.«
Die Wortwahl sollte mir recht sein. Sie erinnerte mich daran, dass ich, wenn Stoner der Fall entzogen wurde, im buchstäblichen Sinne kugelsicher sein sollte.
Eine Gruppe von Geschäftsleuten, die sich ihren Weg durch die Menge bahnte, ohne ihr Gespräch unterbrechen zu wollen, schob sich wie eine mobile Straßenbarriere auf uns zu. Ich trat schnell beiseite, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Die Männer gingen keinen Schritt langsamer und hatten offenbar gar nicht gemerkt, dass sie den Bürgersteig für sich allein beanspruchten. Über meinen John Doe waren sie vielleicht mit derselben Selbstvergessenheit hinweggestiegen.
»Vermutlich ist es aber auch egal«, fuhr Bailey fort. »Wenn dieser Staatsanwalt sich über Stoner beschwert, wird man ihn so lange an den Schreibtisch verbannen, bis die Sache geklärt ist.«
»Und wer bekommt den Fall dann?«
Bailey hob die Schultern. »Wer halt gerade verfügbar ist.« Dann warf sie mir ein verschmitztes Lächeln zu. »Aber ich würde mich breitschlagen lassen und mit dir zusammenarbeiten. Stoner zuliebe.«
Bailey und ich hatten uns vor sechs Jahren bei einem Serienmordfall kennengelernt. Wir waren schnell Freundinnen geworden und hatten es immer so hingebogen, dass wir häufiger zusammenarbeiten konnten als eigentlich vorgesehen. Dann wurde Bailey in die Mordkommission versetzt, und wir mussten nicht mehr schummeln, da die Mordkommission ohnehin viele Fälle den Special Trials zuschusterte.
Bailey dachte einen Moment nach. »Vielleicht darf ich mich ja offiziell um den Fall kümmern, bis Stoners Angelegenheit geregelt ist. Das sollte reichen, um es wenigstens bis zur Voruntersuchung zu schaffen.«
»Vermutlich reißt sich auch sonst niemand um den Fall, oder?«
»Wohl wahr.« Bailey warf mir einen säuerlichen Blick zu. »Aber mal ernsthaft, Knight. Wäre es wirklich so schlimm, wenn du mich ausnahmsweise einmal in einen leichten Fall involvieren würdest?«
»Offenbar schon«, sagte ich und zuckte mit den Achseln. Ich hatte wirklich eine Gabe, uns immer in den schlimmsten Schlamassel zu stürzen. »Möchtest du nicht Stoner anrufen und ihm sagen, was wir hier machen?«
»Wäre wahrscheinlich ratsam.«
Bailey klappte ihr Handy auf, und ich betrachtete die Läden um uns herum: ein Reisebüro, das Billigflüge nach Costa Rica anbot, eine Reinigung, die den Blick auf Ständer mit Herrenhemden freigab, eine Bank, ein Schnapsladen, ein Subway-Sandwichshop. Vor Letzterem stand ein Mann in einer karierten Flanelljacke, biss in ein dickes, saftiges Jumbosandwich mit Fleischbällchen und Käse und erinnerte mich daran, dass ich mein hauchdünnes Truthahn-Salat-Sandwich vor lauter Wut nicht hatte aufessen können. Als ich die Tomatensoße auf die Papierserviette tropfen sah, knurrte mein Magen. Fast hätte ich alle guten Vorsätze in den Wind geschlagen und mir auch eins geholt, als Bailey ihr Handy zuklappte. Ihre Miene war finster.
»Was ist los? Ist er sauer?«, fragte ich. Vielleicht hätten wir uns mit ihm abstimmen sollen, bevor wir uns in seinen Fall einmischten.
»Dieses Arschloch Averill hat ihn anscheinend schon angeschwärzt. Stoner wird also für eine Weile hinter seinem Schreibtisch verschwinden.« Bailey schüttelte den Kopf. »Die gute Nachricht ist, dass er sich freut, wenn ich die Sache vorerst übernehme.«
Bailey war sichtlich schlecht
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