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Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Titel: Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Clark
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Wenn er zugeben würde, dass er kein Teppichmesser gesehen hatte, würde er später Probleme bekommen, wenn er sich auf Notwehr berufen wollte. Ich erwartete fast, dass Walter dazwischengehen und Yamaguchi von einer Antwort abhalten würde, aber er blieb ganz ruhig sitzen.
    »Nein, habe ich nicht«, sagte Yamaguchi. »Ich habe nur gesehen, wie der Typ die Frau am Ellbogen gepackt hat, und habe reagiert. Es war auch nicht so, dass ich groß nachgedacht hätte. Es war einfach ein Reflex, verstehen Sie?«
    »Haben Sie Kampfsporterfahrung?«, fragte ich.
    Jetzt mischte Walter sich ein. »Ich sehe nicht, wieso das von Belang sein soll.« Er wandte sich an seinen Mandanten. »Ich würde Ihnen raten, nicht auf diese Frage zu antworten.«
    Yamaguchi sah Walter irritiert an. »Warum? Eigentlich war ich der Meinung, hier soll alles auf den Tisch. Ich habe nichts zu verbergen.«
    Walter zögerte einen Moment, dann nickte er und lehnte sich zurück. Mit einer Handbewegung sagte er: »Fahren Sie fort.«
    »Ich habe den schwarzen Gürtel in Taekwondo«, erklärte Yamaguchi.
    »Das hatte ich mir schon fast gedacht«, sagte ich. »Okay, Sie haben also den Arm des Typen runtergeschlagen. Was hat er getan? Hat er sich nach Ihnen umgedreht?«
    Ich gab ihm eine weitere Chance, sich auf Notwehr zu berufen.
    »Nein.« Er unterbrach sich und schwieg einen Augenblick. »Das kam ja ziemlich überraschend für ihn. Er stand einfach da, fast wie unter Schock. Was dann passiert ist, weiß ich nicht, denn als ich sah, wie sein Arm sank und die Frau außer Reichweite gelangte, bin ich auf und davon.«
    Wenn Yamaguchi die Wahrheit sagte, dann hatten die Messerstiche, egal wer sie ausgeführt hatte, nichts mit Verteidigung zu tun. Hier handelte es sich um Mord.

15
    A n diesem Punkt brauchte ich absolute Klarheit.
    »Was meinen Sie mit, ›die Frau gelangte außer Reichweite‹?«
    »Sie ist weggerannt«, antwortete er. »Ich erinnere mich noch, dass ich dachte, jetzt kann er sie nicht mehr einholen. Sie war ziemlich schnell, und der Gehweg wimmelte von Menschen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich wäre nie abgehauen, wenn sie noch in Gefahr gewesen wäre, das kann ich Ihnen versichern.«
    Darin schwang durchaus ein gewisser Stolz mit.
    »Da hat sich das Taekwondo doch als echter Vorteil erwiesen«, stellte ich fest.
    Er neigte den Kopf und schenkte mir ein bescheidenes Lächeln. »All diese Kurse … Ich hatte immer gehofft, dass ich mal irgendjemandem helfen kann.«
    Und das war nun der Dank dafür – eine Zelle in einem Bezirksknast. Yamaguchi hatte aber nicht im Mindesten ironisch geklungen. Obwohl es für ihn nicht gut ausgegangen war, wusste er, dass er die dunkelhaarige Frau gerettet hatte, und bereute sein Eingreifen nicht.
    Das bedeutete allerdings nicht, dass er nicht doch der Messerstecher war. Ich fuhr also fort.
    »Haben Sie gesehen, wohin sie gegangen ist?«
    Wieder zögerte Yamaguchi und dachte nach. Sollte er mir etwas vorspielen, musste ich schon zugeben, dass er gut war.
    »Keine Ahnung«, sagte er. »Das verschwimmt alles irgendwie, weil es ja auch so schnell ging. Ich weiß nur, dass nach meinem Schlag der Arm des Typen sank, die Frau verschwand und alles okay zu sein schien. Da bin ich dann auf und davon.« Yamaguchis Miene war offen und ernst.
    Irgendetwas an dem Fall war irgendwie … verquer. Die Teile wollten sich einfach nicht zu einem logischen Muster zusammenfügen. Zumindest nicht zu einem, das ich zu diesem Zeitpunkt erkennen würde. Ich massierte meinen schmerzenden Nacken und fuhr dann fort.
    »Das Opfer stand also unverletzt da, als Sie den Ort verlassen haben?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Wo sind Sie hingegangen?«
    »Zurück zur Arbeit«, antwortete Yamaguchi. »Ich arbeite in einem Spa in Little Tokyo an der First Street, Nähe Pedro Street. Ich bin Masseur.«
    Es war keine Absicht, aber meine Reaktion konnte man mir wohl vom Gesicht ablesen. Ich hatte mal gehört, dass diese »Spas« oft schlichtweg Bordelle waren.
    »Das ist ein richtiges Spa«, fuhr Yamaguchi in einem ernsten Tonfall fort. »Und ich bin ein richtiger Masseur. Sie zum Beispiel könnten meine Hilfe auch gut gebrauchen«, sagte er und nickte zu meiner Hand hinüber, die soeben an einem steifen Muskel in meinem Nacken herumknetete. Auf frischer Tat ertappt ließ ich die Hand sinken.
    »Sie sind aber an den Ort zurückgekehrt. Warum?«, fragte ich.
    Yamaguchi seufzte und blickte zu Boden. Wir saßen still da und warteten. Schließlich ergriff Walter

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