Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
der Tür zur Bar und zog an dem schweren Messinggriff. Das elektrische Feuer im Backsteinkamin leuchtete warm und warf sein orangefarbenes Licht auf die forstgrünen Ledersessel und die Mahagonitische. Es wimmelte bereits von Finanzleuten und Wirtschaftsanwälten, während man Polizisten oder Staatsanwälte hier nie traf. Bailey und ich setzten uns ans Ende der Bar. Drew schien wie immer frisch einem Männermagazin entstiegen zu sein. Er trug sein übliches weißes Hemd und die schwarze Weste, die seine breiten Schultern und die schmale Taille betonte. Der Diamantohrring glitzerte hell auf seiner schwarzen Haut. Soeben goss er aus einem silbernen Cocktailshaker Martini in vier Gläser, dann wischte er sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und kam zu uns.
»Die schönsten Frauen der Welt sind eingetroffen«, sagte er und schaffte es, seinen Satz vollkommen plausibel klingen zu lassen. »Wie geht es uns denn heute?«
»Müde«, sagte Bailey.
Die beiden wechselten einen abscheulich innigen Blick.
»Durstig«, sagte ich demonstrativ.
»Kommt Graden auch?«, fragte er. Gemeint war Lieutenant Graden Hales.
Unter Staatsanwältinnen galt es als ausgemacht, dass man sich unter gar keinen Umständen in einen Polizisten verlieben sollte. Klar, sie konnten charmant, attraktiv und verdammt sexy sein. Man konnte allerdings auch mit fast hundertprozentiger Sicherheit davon ausgehen, dass sie Schufte waren, die dich mit deiner eigenen Schwester betrogen und es dann allen ihren Kumpels erzählten. Lieutenant Graden Hales hatte ich kennengelernt, als er im letzten Jahr die Ermittlungen zum Mord an meinem Freund und Kollegen, dem Special-Trials-Staatsanwalt Jake Pahlmeyer, geleitet hatte. Er schien die große Ausnahme zu sein. Mit seinen nussbraunen Augen, dem dunkelblonden Haar, den breiten, markanten Wangenknochen und den vollen Lippen erfüllte er die genannten Bedingungen mehr als hinreichend, aber soweit ich es beurteilen konnte, steckte nichts von einem Schuft in ihm. Er schien ein grundehrlicher Typ zu sein, der sich eine Beziehung mit einer richtigen Frau wünschte und nicht nur eine vorzeigbare Begleitung für irgendwelche Cocktailpartys.
Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, war er reich, sogar stinkreich, um genau zu sein. Obwohl ich nicht viel über seine Vergangenheit wusste, war mir klar, dass es sich nicht um ererbtes Vermögen handelte. Bevor ihm aufgegangen war, was er aus seinem Leben machen sollte, hatte Graden für einen Hungerlohn bei einer Baufirma gearbeitet. Nebenbei und einfach so aus Spaß hatte er sich Videospiele ausgedacht. Als er dann bei der Polizei anfing, beschloss er, dass für so etwas keine Zeit mehr war, erfand aber kurz vor Abschluss der Polizeiakademie noch ein letztes Spiel: Code Three – im Polizeijargon das Signal für den Einsatz von Sirenen. Wäre es nach ihm gegangen, hätte das Spiel nie das Licht der Welt erblickt. Zu Gradens großem Glück hatte aber sein kleiner Bruder Devon, ein echter Computerfreak, das Potential dieser Erfindung erkannt und eine Software dazu entwickelt. Fünf Jahre später überrollte Code Three die Spielewelt wie ein Tsunami, und Graden und Devon hatten ausgesorgt.
Graden und ich waren jetzt schon seit Monaten zusammen, aber ich war noch nicht bereit, darüber hinauszugehen. Toni sprach gerne von meiner Beziehungsphobie, und ich erwiderte dann, dass sie sich gefälligst an die eigene Nase packen solle. Obwohl sie sich nichts anmerken lässt, weiß ich, dass sie sich jedes Mal amüsiert.
Ich schüttelte den Kopf. »Graden ist heute mit seinem Bruder verabredet.«
Drew nickte und bedachte Bailey mit einem trägen, anzüglichen Lächeln. »Und wie war dein Tag, Baby?« Diese Stimme würde genug Frauen aus den Kleidern treiben, um ein kleines Land zu bevölkern.
»Okay«, sagte sie mit einer derart samtigen Stimme, dass es fast wie ein Schnurren klang. Die Männer am anderen Ende der Bar lockerten bereits ihre Krawatten. Meine Güte, es war wirklich zum Speien. »Und was ist mit dir? Warst du heute bei der Bank?«
Drew wollte sich um einen Existenzgründerkredit für seine Bar bemühen.
»War ich. So weit, so gut«, sagte er und drückte sich selbst die Daumen. »Und, meine Damen? Dasselbe wie immer?«
»Klar«, sagte Bailey und schaffte es, das Wort zu einem Zweisilber zu dehnen.
Die beiden wechselten einen weiteren triefenden Blick.
»Für mich bitte mit einem Schuss Pepto-Bismol«, ergänzte ich. »Irgendwie habe ich plötzlich
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