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Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Titel: Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Clark
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zu bestimmen. Geschickt wählte ich eine große Eiche direkt neben dem Bullenpferch, stellte mich an den Stamm und zählte. Ich war erst bei sieben, als ich das Knirschen von Reifen auf dem Feldweg hörte. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass sich langsam ein Pick-up näherte. Die meisten Farmarbeiter fuhren solche Kleinlaster, und so schützte ich meine Augen mit der Hand vor der Sonne und wollte schon winken, als ich den staubigen roten Kleinlaster auf mich zurollen sah. Dann erkannte ich jedoch, dass der Fahrer ein Fremder war. Neben ihm saß ein großer schwarzer Hund. Der Mann trug einen zerbeulten Cowboyhut wie viele Farmarbeiter, und als er vorbeifuhr, lächelte er und lüftete den Hut, sodass ich seine kurzen dunklen Haare und sein rundes offenes Gesicht erkennen konnte. Es war ein freundliches Lächeln, und ich lächelte freundlich zurück, bevor ich schließlich zum Baum zurückkehrte, um zu Ende zu zählen.
    Als ich bei hundert angekommen war, wusste ich schon, wo ich suchen musste. Romy versteckte sich immer an derselben Stelle, und ich rannte direkt dorthin. Und da war sie dann auch, in einem großen Loch im Stamm einer Eiche.
    »Komm schon, Romy!«, beschwerte ich mich und hatte ganz vergessen, dass das Spiel ja nur ein Vorwand für den geplanten Ritt auf dem Bullen sein sollte. »Such dir ein richtiges Versteck!«
    Romy verzog das Gesicht, war aber einsichtig. »Na gut, okay. Kriegst du von diesem Babyspielchen denn nie genug, Rachel?«
    Ich zuckte mit den Achseln, beschämt, aber stur. Obwohl ich noch Großes vorhatte, hielt ich Verstecken nicht für ein Babyspielchen und wollte es richtig machen. Widerstrebend trottete Romy zur Basis zurück. Ich drehte mich zum Stamm um, schloss die Augen und begann wieder zu zählen. Romy lief hinter mir in den Wald.
    »Einundzwanzig, zweiundzwanzig …«, zählte ich, hörte aber plötzlich auf. Irgendetwas stimmte da nicht. Mit einem Mal hing ein Unheil in der Luft. Mich packte die Angst. Ich wollte nicht schummeln, aber das Gefühl war so stark, dass ich es nicht ignorieren konnte. Ich öffnete die Augen und sah mich um.
    Zwanzig Meter weiter stand der Pick-up auf der Straße. Die Schnauze zeigte in den Wald, die Fahrertür stand offen. Der Wagen schien leer zu sein. Ich starrte in die Richtung und spürte eine unbestimmte Gefahr, wusste aber nicht, was ich tun sollte.
    Plötzlich hörte ich einen schrillen Schrei aus dem Wald. Er brach sofort ab, dann hörte man ein Rascheln. Panisch, aber auch ungläubig flüsterte ich: »Romy.«
    Mit steifen Beinen ging ich auf den Wald zu, das Gesicht erstarrt, und konnte nicht einmal einen Grund für meine Angst nennen. Immer schneller und schneller ging ich, und meine instinktive Angst wuchs mit jedem Schritt und ballte sich in meiner Brust zu einem Klumpen zusammen. Als ich schließlich von meiner Panik überwältigt wurde und es keine Sekunde länger aushielt, atmete ich so tief ein, wie ich nur konnte, und schrie: »Romy!«
    Stille. Romy musste mich gehört haben. Jetzt löste sich der Angstklumpen aus meiner Brust und setzte sich in der Kehle fest. Ich wollte noch einmal schreien, erstickte aber fast. Es kam kein Ton mehr heraus. Ich blieb stehen, sammelte all meinen Atem zusammen und wollte gerade noch einmal schreien, als der Mann mit dem Cowboyhut aus dem Wald kam und auf seinen Laster zurannte. Irgendetwas, das ich nicht erkennen konnte, lag über seinen Schultern. Mir stockte der Atem, und ich blieb reglos stehen, wie gelähmt vor Angst. Dann rannte ich plötzlich, ohne nachzudenken, auf ihn zu und schrie immer wieder: »Romy! Romy!«
    Aber obwohl ich so schnell rannte, wie ich konnte, waren meine Beine wie Blei, als wäre ich in Treibsand gefangen. Irgendein Teil meines Gehirns realisierte, dass ich es nicht mehr rechtzeitig schaffen konnte. Stumm vor Angst schaute ich zu, wie er den Gegenstand von seiner Schulter nahm und auf den Beifahrersitz warf. Ich hielt an, zitternd an Armen und Beinen, und mit den allerletzten Kräften, die mir blieben, schrie ich: »Rooomy!« Der Mann sah auf, und für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke. Dann lief er auf die Fahrerseite, knallte die Tür hinter sich zu und fuhr davon. Die Reifen spritzten Dreck und Steine auf. »Rooomy!«, schrie ich wieder.
    Ich rannte hinter dem Pick-up her. »Neiiin!«, jammerte ich in einem hohen, erbarmungswürdigen Tonfall. »Rooomy! Rooomy!« In meiner hilflosen Verzweiflung schrie ich selbst dann weiter, als der Pick-up nur noch ein

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