Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
Treppe und durchschritt den Metalldetektor. Als ich zu den Aufzügen kam, sah ich Toni dort stehen. Ungeduldig blickte sie von ihrer Uhr auf die erleuchtete Anzeige über den Fahrstuhltüren. Das erinnerte mich an alte Zeiten, als wir noch Wetten abgeschlossen hatten, welcher Aufzug zuerst unten sein würde. Tonis Anblick hatte etwas Tröstliches, war mir aber jetzt wenig willkommen. In all den Jahren, in denen wir nun schon befreundet waren, hatte ich nie irgendetwas vor ihr verbergen können. Die Chancen, dass ich ihr meine innere Erregung über das Zerwürfnis mit Graden länger als fünf Minuten verheimlichen könnte, tendierten gegen Null. Ich würde mir eine plausible Geschichte ausdenken müssen, und zwar schnell.
Ich zwang mich zu einem Lächeln und rief: »Toni!«
»Hallo, Rachel.« Sie lächelte jetzt auch. »Warst du mit deinem stattlichen Lieutenant essen?«
Hatten die Leute alle nur Graden im Kopf? Oder kam mir das nur so vor, weil ich das Thema unbedingt vermeiden wollte?
»Nein«, korrigierte ich sie. »Ich war mit der stattlichen Bailey Keller in Sachen John Doe unterwegs, mittlerweile bekannt als der Fall Simon Bayer.«
Ihr Lächeln war plötzlich wie wegradiert. »Hast du das Daily Journal schon gelesen?«
Ich schüttelte den Kopf. Von dem Juristenblatt las ich nur die Wochenausgabe, um bei den jüngsten Berufungsentscheidungen auf dem neuesten Stand zu sein.
Toni schaute sich um, ob nicht die falschen Leute in der Nähe waren.
»Hemet wird mit einem schönen Spruch über dich zitiert«, sagte sie leise.
Ihr Kiefer verriet mir, dass es sich nicht um einen Lobgesang auf meine juristische Begabung handelte.
»Er behauptet, du seist einfach nur einer dieser Special-Trials-Typen, die sich immer die Rosinen herauspicken. Und auf den Obdachlosen hättest du dich nur gestürzt, um vor dem Richter groß rauszukommen.«
»Das ist doch Schwachsinn!«, rief ich ehrlich schockiert.
»Leise«, sagte Toni und sah sich um. »Du weißt doch, dass du bei mir offene Türen einrennst«, zischte sie, und ihre Stimme spiegelte ihren Ekel wider. »Aber das ist genau das, wovor ich dich immer gewarnt hatte, nicht wahr?«
Der Aufzug gab ein Ping von sich. Wir strömten mit der versammelten Mannschaft hinein und mussten uns bis zum fünfzehnten Stockwerk gedulden, bis er sich allmählich wieder leerte.
»Nicht einmal Hemet hätte ich so miese Machenschaften zugetraut«, sagte ich.
»Solltest du Zweifel gehabt haben, jetzt ist es offiziell«, sagte Toni mit blitzenden Augen. »Was wirst du unternehmen?«
Langsam schüttelte ich den Kopf. Wir stiegen im achtzehnten Stockwerk aus, und ich tippte an der Sicherheitstür zu unserem Flügel den Code ein. Als wir zu unseren Büros gingen, dachte ich über meine Optionen nach. Großartig waren die nicht.
»Wenn ich den Reporter anrufe und darauf reagiere, trage ich nur dazu bei, die Sache aufzubauschen. Du weißt ja, wie man so schön sagt …«
»Du kämpfst mit einem Schwein, ihr landet beide im Matsch, aber dem Schwein gefällt’s«, sagte Toni. »Etwas spät dafür. Der Schlamm fliegt bereits, und du hast auch schon was abbekommen.«
»Es gibt da aber noch ein Problem. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist die Aufmerksamkeit der Presse.« Ich erklärte ihr, dass ich Lilah finden musste, bevor irgendwelche Journalisten das Videomaterial in die Finger bekamen und die Frau in die Flucht schlugen.
»Du willst die Presse abhängen?« Toni schüttelte den Kopf. »Viel Glück.«
Sie setzte sich vor meinen Schreibtisch und legte die Füße auf den Tisch am Fenster. Ich legte meine Tasche in die unterste Schublade, beäugte sehnsüchtig die Flasche Glenlivet, schob die Schublade schnell wieder zu und lehnte mich in meinem imposanten Richterstuhl zurück – dem Stuhl, den ich eines Abends herrenlos auf einem der Flure entdeckt und mir sofort unter den Nagel gerissen hatte. In besseren Zeiten hatten Toni und ich Szenarien erfunden, wie er aus einem Richterraum im fünfzehnten Stock auf den Flur der Staatsanwaltschaft im achtzehnten Stock gerollt sein könnte.
Ich streifte meine Schuhe ab.
»Meinst du wirklich, Vanderhorn interessiert sich dafür, was ein Idiot wie Hemet zu sagen hat?«, fragte ich.
»Vanderhorn interessiert sich für alles, was ihn nach außen hin schlecht dastehen lässt«, antwortete Toni. »Und Hemets Schlammschlacht klingt verdächtig nach ›schlecht für Vanderhorn‹.« Sie hielt inne und zog unheilverheißend eine Augenbraue hoch. »Und
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