Toedlicher Blick
zu, aber Del zuckte nur die Achseln. »Wie kommen Sie zu dieser Frage?«
»Na ja, ich weiß nicht … Seine Mutter stirbt auf seltsame Weise, und Cops tauchen bei mir auf und wollen Fragen über ihn stellen. Ist sie ermordet worden?«
»Wir haben den Verdacht, dass es so sein könnte«, sagte Lucas. »Hat irgendetwas Besonderes Sie zu dieser Frage veranlasst?«
»Ja«, antwortete sie schlicht und einfach. »Also … James ist ein Mode-Freak. Er ist versessen darauf, sich schick zu kleiden. Als ich damals Stoffkunde studiert habe, hatte ich naturgemäß auch viel mit Mode zu tun, und ich habe nie einen Menschen getroffen, der in einem Maß wie James das Bedürfnis hat, sich über seine Kleidung als Persönlichkeit darzustellen … Es ist, als ob er stets parat sein wolle, für ein Starfoto zu posieren; sein ganzes Streben ist auf Kleidungsstücke ausgerichtet, die er für schick hält, aber er hat nie genug Geld, wirklich gute Sachen zu kaufen.« Sie streckte die Hand aus und tippte auf Lucas’ Jacke. »Bei so was würde er in Verzückung geraten.«
»Ehm, ja …«
»Okay, ich komme gleich zum Wichtigsten«, sagte sie. Die Mikrowelle piepste, und sie nahm die drei Tassen heraus und verteilte sie. Lucas, der sie beim Sprechen und Herumlaufen beobachtet hatte, kam zu dem Schluss, dass sie hinter der bewusst schlichten Fassade eine attraktive junge Frau war, die der seltsamen Mode-Ethik der Frauen Minnesotas folgte und sich absichtlich nachlässig kleidete. Sie fuhr fort: »Jedenfalls, als man seine Mutter tot aufgefunden hatte, rief er mich an und sagte, er brauche moralische Unterstützung bei der Identifizierung der Leiche. Ich begleitete ihn also zur Gerichtsmedizin, und wir identifizierten die Leiche, und als Sie dann auftauchten, war er ein heulendes Häufchen Elend. Ich kam mir wie ein Requisit vor. Aber ich kann Ihnen sagen, das Heulen hörte in der Sekunde auf, als wir aus dem Gebäude kamen. Dann begann eine Kauforgie. Ausschließlich für ihn. Er kaufte sich für zweitausend Dollar einen Ring
für den kleinen Finger
, ach du lieber Gott … Und gab bei Saks und Neimann’s, wie ich vermute, weitere dreitausend Dollar aus. So viel Geld hat er normalerweise nicht. Bezahlte alles bar. Ich glaube, das Geld stammte aus dem Haus seiner Mutter.«
»Hmmm … keine tiefe Trauer«, meinte Lucas.
»Nein, die zeigte er nur, als der Gerichtsmediziner und Sie von der Polizei dabei waren«, sagte sie.
Del schaltete sich ein: »Hören Sie, wir möchten nicht, dass Sie Verrat an Ihrem Freund begehen …«
»Natürlich möchten Sie das«, sagte sie. »Was wollen Sie von mir wissen?«
Lucas neigte den Kopf zur Seite. »Ich habe den Eindruck, dass Ihre Freundschaft zu Qatar nicht sehr tief gehend ist.«
»Wir schlafen seit drei Wochen miteinander – und unsere Beziehung geht ihrem Ende entgegen, um die Wahrheit zu sagen. Er ist nicht gerade das, nach dem ich Ausschau gehalten habe. Ich glaube …« Sie brach ab, schien zu überlegen, wie sie sich ausdrücken sollte. »Ich habe von Anfang an erkannt, dass er irgendwie nicht ganz dicht ist. Er hat manchmal diesen irren Glanz in den Augen. Aber er hatte auch was zu bieten, und so schien mir das okay zu sein … Und er ist ein gepflegter Mann und all so was. Aber nach dieser Sache mit seiner Mutter jagt er mir irgendwie Angst ein …«
Lucas sah Del an, und Del sagte zu ihm: »Ich denke, wir sollten Klartext mit ihr reden.«
23
Barstad hatte außer persönlichen Eindrücken kaum etwas Interessantes zu berichten. Qatar sei zu Gewalthandlungen fähig, wie sie sagte. »Manchmal haben wir ganz schön harten Sex«, erklärte sie, fügte aber hinzu, dass es keinen Hinweis auf darüber hinausgehende Abartigkeiten gegeben habe.
»Wenn Sie ›harten Sex‹ erwähnen – meinen Sie dann, er zwinge Sie mit Gewalt zu bestimmten Dingen?«, fragte Lucas.
»Nein, im Allgemeinen bin ich es, die entsprechende Anregungen macht«, antwortete sie. »Er ist nicht sehr kreativ.«
»Oh.« Lucas vermied es sorgfältig, Del anzusehen.
Sie machte einen Vorschlag: »Wie wär’s denn, wenn ich ihn einfach danach frage? Ob er Leute umbringt? Ihr Jungs pflanzt doch bei so was Wanzen in Wohnungen, oder? Ich könnte ihn herholen und fragen, und Sie zeichnen das auf.«
»Das wäre wohl ein wenig zu plump – ihn einfach so zu fragen«, sagte Del. »Vor allem unter dem Aspekt, dass ihn die Frage stinkwütend machen könnte, er sich ein Bügeleisen greift und Ihnen damit den Schädel einschlägt.
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