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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Publicity«, antwortete Lucas. »Wir werden die Zeichnungen der Öffentlichkeit präsentieren.«

4
    Kanal Drei hatte seinen Sitz in einem niedrigen, vielfach verschachtelten Natursteingebäude, das dem Versuch eines Mode-Architekten entsprungen war, aus einem Kieselstein einen Diamanten zu schleifen; Lucas gefiel es überhaupt nicht. Das Gebäude war vom Rathaus, in dem das Polizeipräsidium untergebracht war, zu Fuß zu erreichen, und unterwegs meinte Lucas, einmal für einen kurzen Augenblick einen blauen Streifen am Himmel gesehen zu haben, korrigierte sich dann aber schnell. Da war kein Blau am Himmel; und es würde dort oben wohl auch nie mehr welches geben. Er musste über seine miese Stimmung grinsen, und eine vorbeigehende Frau nickte ihm fröhlich zu.
    Lucas hatte eine Kopie der Aronson-Zeichnung in Originalgröße dabei, dazu ausschnittsweise Kopien der anderen drei Zeichnungen; bei ihnen hatte man die Köpfe sorgfältig herausgeschnitten. Auf dem Parkplatz von Kanal Drei stieß er auf Jennifer Carey, die dort offensichtlich eine Zigarette rauchen wollte. Sie war groß und blond und die Mutter von Lucas’ einzigem Kind, seiner Tochter Sarah. Sarah lebte bei Carey und ihrem Ehemann.
    »Hallo Lucas«, sagte Carey und schnippte die Zigarette auf den Boden. Sie verglühte mit einem Zischen auf dem nassen Asphalt.
    »Du weißt doch, dass man von diesen Dingern Krebs kriegen kann«, sagte Lucas.
    »Tatsächlich? Dann muss ich mal eine Sendung darüber machen.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Lucas auf die Wange. »Was ist los? Und woher hast du den Knutschfleck am Hals?«
    »Ich muss mir unbedingt einen Rollkragenpullover kaufen«, knurrte Lucas.
    »Dann siehst du aus wie ein französischer Gangster«, sagte Carey. »Könnte mir aber gefallen … Du bist wieder mit Weather zusammen?«
    »Ja. Sieht so aus.«
    »Werdet ihr heiraten?«
    »Vermutlich.«
    »Gut für dich«, strahlte sie. Sie schob den Arm unter seinen und dirigierte ihn zur Eingangstür des Gebäudes. »Ich habe diese Frau immer gemocht. Ich kann nicht verstehen, dass so eine kleine Sache wie eine Schießerei euch auseinander gebracht hat.«
    »Weather hatte das Gehirn des Verbrechers auf dem Gesicht«, sagte Lucas. »So was macht Eindruck.«
    »Das Gehirn? Oder der Vorfall als solcher? Ich meine, so was wie eine
Delle
in ihrer Gesichtshaut? Oder wolltest du ›Eindruck‹ als Metapher verstanden wissen? Ich glaube nämlich nicht, dass Gehirnmasse tatsächlich eine Delle …«
    »Halt den Mund.«
    »Mein Gott, wie ich diesen Tonfall liebe«, sagte sie. »Hol deine Handschellen raus, vielleicht finden wir einen leeren Van für ein Sadomaso-Spielchen.«
    »Ich habe eine Story für dich«, sagte Lucas.
    »Tatsächlich?« Sie wurde sofort ernst. »Eine gute? Oder geht’s nur um PR für dich?«
    »Die Story wird dir gefallen.«
    »Na, dann komm mal mit.« Er folgte ihr ins Gebäude und durch ein Gewirr von Fluren zu ihrem Büro. Gerichtsurteile stapelten sich auf dem Besucherstuhl; sie legte sie auf den Schreibtisch und sagte: »Setz dich.«
    »Dieser Besuch bei dir ist absolut inoffiziell«, sagte Lucas. Er nahm die Kopie der Aronson-Zeichnung aus der Tasche.
    »Selbstverständlich«, bestätigte Carey. »Was ist das für ein Papier?«
    »Es gibt da einige Bedingungen …«
    »Du kennst die Bedingungen, die wir akzeptieren. Also – können wir ins Geschäft kommen?«
    »Ja.«
    »Dann gib mal her.«
    Lucas schob die Zeichnung über den Schreibtisch, und Carey faltete sie auf, sah sie sich an, sagte dann: »Sie sollte ein paar Pfunde weniger um die Hüfte haben.«
    »Hat sie inzwischen«, sagte Lucas. »Der Tod sorgt für schnelles Abnehmen.«
    »Oh, sie ist tot?« Carey sah ihn über die Zeichnung hinweg an.
    »Das ist Julie Aronson. Ihre Leiche …«
    »… wurde im Wald südlich der Stadt gefunden. Ich kenne die Story.« Carey verzog die Mundwinkel. »Wir sind nicht intensiv darauf eingegangen. Na ja, vielleicht können wir sie noch mal aufwärmen …«
    »Halt, halt, um Himmels willen!«, knurrte Lucas wütend. »Ihr verdammten Fernsehtypen … Jetzt kommt doch erst das Wichtigste: Mehrere andere Frauen sind mit solchen Zeichnungen belästigt worden – drei haben sich bisher gemeldet. Zwei davon erhielten sie mit der Post, im dritten Fall wurde ein ganzer Set an einer Anschlagtafel in der Nähe der Uni ausgehängt. Da ist ein Irrer am Werk.«
    Umgehend hellte sich ihr Gesicht auf. »Du hast weitere Zeichnungen?«, fragte sie

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