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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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treten, Ellen. Wir stehen nicht unter Zeitdruck.«
    »Sicher«, sagte sie, aber die Enttäuschung in ihrer Stimme war unüberhörbar. Sie rieb die Füße aneinander. »Bist du sicher, dass dir ein bisschen Lutschen nicht Spaß machen würde?«
    »Ellen …« Der von dieser Perspektive betroffene Körperteil tat echt weh; aber wie oft im Leben wird einem so ein verlockendes Angebot gemacht? Manchmal, dachte er, muss man dem gesunden Menschenverstand nachgeben. »Okay. Aber du darfst
nicht
so wild mit mir umspringen.«
    Als er zwei Stunden später ziemlich ausgelaugt nach Hause kam, schaltete er den Fernseher ein, ging dann in die Küche und richtete sich eine Schale Cornflakes. Er aß lustlos und las dabei in der zwei Wochen alten Ausgabe von
The New Yorker
, als er nebenan die Stimme einer Fernsehreporterin hörte, die von Zeichnungen und Mord sprach und darauf hinwies, dass der Anblick der Zeichnungen nichts für Kinder sei.
    Auch ohne hinzusehen oder genauer zuzuhören, wusste er sofort, worum es sich handelte. Er wollte es nicht glauben; er sprang so hastig auf, dass er gegen den Tisch stieß und Milch aus der Schale auf die Zeitung spritzte.
    Im Wohnzimmer fiel sein Blick noch für den Bruchteil einer Sekunde auf eine seiner Zeichnungen, ehe die Kamera wegschwenkte; es war wie das Aufblitzen einer Herzdame in einem Kartenspiel, das gerade gemischt wird. Die Reporterin sagte etwas, aber Qatar war nicht fähig, die Worte aufzunehmen. Dann verschwand die Reporterin vom Bildschirm, und nacheinander wurden nun mehrere seiner Zeichnungen gezeigt, zum Schluss die von Aronson.
    »… sucht die Polizei nach einem Künstler, der diese sexuell inspirierten Zeichnungen angefertigt haben könnte …«
    Er stand wie versteinert da, war völlig entgeistert, konnte es nicht glauben. Er hatte es nicht zugelassen, dass Aronson Zeichnungen mit nach Hause nahm. Er hatte ihr diese spezielle gezeigt – sie war sexy, aber nicht pornografisch –, um ihr mit seinen künstlerischen Fähigkeiten zu imponieren. Er erinnerte sich, dass er sie in seinem Arbeitszimmer achtlos irgendwo abgelegt hatte. Aber er erinnerte sich
nicht
, sie danach jemals wieder gesehen zu haben.
    »Sie hat sie mitgenommen«, sagte er laut zu dem Fernsehgerät. »Sie hat sie mir gestohlen! Sie gehörte mir, nicht ihr!«
    Man würde ihn ins Gefängnis stecken, dachte er. Niemand würde ihn je verstehen … Er sah zu, bis keine Zeichnungen mehr gezeigt wurden und die Reporterin, eine schmale, interessante Blondine, wie er halb unbewusst registrierte, zur Lokalpolitik überging.
    »Gefängnis«, stöhnte er. Eine drohende Perspektive. Seine Künstlerkarriere ruiniert … Sie würden ihn in Ketten aus dem Gebäude führen: Er sah es vor seinem geistigen Auge, wie seine Kollegen mit ihren hässlichen Weibern in langen Reihen auf ihn warteten und er in einem Spießrutenlauf ihr schadenfrohes Grinsen und arrogantes Lächeln zu beiden Seiten der Gasse ertragen musste. Man würde ihn in ein Hemd und eine Hose aus grobem Denim stecken – mit einer Nummer auf dem Hemd – und zusammen mit irgendeinem Brutalo, der ihn fortlaufend vergewaltigte, in einer Zelle einschließen.
    Er dachte an Selbstmord – es schien der einzige Ausweg zu sein. Irgendwo runterspringen, dachte er. Das Gefühl des Fliegens, und dann nichts mehr … Aber er hatte Höhenangst. Er vermied es sogar, zu nahe an ein hoch gelegenes Fenster zu treten.
    Eine Waffe – Pistole oder Revolver. Den Finger krümmen, und dann nichts mehr … Aber das würde eine Mordsschweinerei verursachen und darüber hinaus seinen Kopf zerschmettern. Nein, zu viel der Scheußlichkeiten. Sich aufhängen kam ebenfalls nicht in Frage: Er würde leiden müssen. Er konnte sich gut vorstellen, wie er sich unter entsetzlichen Qualen in letzter Minute an dem Seil festkrallen und versuchen würde, sich hochzuziehen … Nein.
    Tabletten. Eine annehmbare Möglichkeit, wenn er Zeit hätte, die erforderliche Menge zusammenzubekommen. Er konnte zu Randy gehen. Randy würde ihm vielleicht Barbiturate in ausreichender Menge geben. Ja, das wäre eine Möglichkeit. Einfach einschlafen, nicht mehr aufwachen.
    Eine Träne rollte seine Wange hinunter, als er an den Kummer seiner Mutter bei der Nachricht von seinem Tod dachte. Er ließ sich in den Sessel vor dem Fernsehgerät sinken und schloss die Augen, stellte sich die Szene vor. Und wurde von einer Welle des Zorns überspült: Das Miststück würde ihn überhaupt nicht vermissen. Sie würde

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