Toedlicher Blick
in dem dunklen Mantel?«, fragte Baxter. »Ich habe das Bild gesehen.«
»Er war’s nicht«, sagte Lucas. »Er kam heute Morgen bei uns reinmarschiert. Brauchte nicht mal einen Anwalt.«
Baxter stieß mit gespitzten Lippen einen Laut aus, der wie ein lauter Furz klang.
Lucas grinste. »Ja, richtig. Jedenfalls, wir möchten gern mit Ware reden, was er über Sex-Freaks in der Künstlerszene weiß. Da er sich für einen Künstler hält, müsste er sich da ja auskennen.«
»Sie glauben aber nicht, dass er was mit dem Aronson-Fall zu tun hat …«
Lucas schüttelte den Kopf. »Dazu haben wir keinen Anlass. Wir wollen nur mit ihm reden, und vielleicht springt ja ein Deal für ihn dabei raus, was das Kokain angeht.«
»Ich werde darauf hinarbeiten, dass die Kokain-Sache ganz fallen gelassen wird. Ist ja sowieso nur minimal.«
Lucas hob die Schultern. »Ich kann mich dafür einsetzen, aber nichts versprechen. Und es muss klar sein, dass ein Deal in der Kinderporno-Sache nicht in Frage kommt.«
»Natürlich nicht.«
»Okay, das wäre also geklärt. Und sagen Sie Ware: Wenn er uns nur Scheiße erzählt, hängen wir ihm die Koks-Klage zusammen mit allem anderen an den Hals. Wenn wir das Mädchen, das wir bei ihm angetroffen haben, ein bisschen mehr unter Druck setzen, nennt sie uns bestimmt weitere Namen. Namen von Minderjährigen, die Ware als Gegenleistung für Sex und Pornofotos mit Koks gefüttert hat.«
»Ich werde mit Morrie reden«, sagte Baxter. Er sah auf die Uhr. »Er ist unten, holt seine Kleidung.«
»Die Sache muss schnell ablaufen. Heute Morgen noch. Sofort. Wir haben große Probleme mit dem Aronson-Fall.«
»Vielleicht ist das, was Ware zu bieten hat, mehr wert, als Sie honorieren wollen?«
Lucas schüttelte den Kopf. »Nein. Vielleicht hat er ja
gar nichts
zu bieten. Ist ja nur ein Schuss ins Dunkel. Seien Sie zufrieden, dass wir schon allein seine Gesprächsbereitschaft mit einem Entgegenkommen in der Koks-Sache honorieren wollen.«
Sie plauderten noch ein paar Minuten, dann ging Lucas zurück zu seinem Büro. Unterwegs dachte er an dünne blonde Männer, die dünne blonde Frauen umbrachten.
Marcy sagte zur Begrüßung: »Ich habe mit diesem Künstler telefoniert. Er klingt irgendwie … zurückhaltend.« In Marcys Vokabular war »zurückhaltend« bei Männern eine sehr positive Eigenschaft. »Er sagte, er würde heute Nachmittag vorbeikommen.«
»Sehr schön.«
»Was machst du? Auf Ware warten?«
»Ja, und die Akte studieren, die der Menomonie-Deputy mitgebracht hat. Vielleicht stoße ich auf irgendwas.«
Beim Durchgehen der Akte aus Menomonie machte Lucas sich Notizen. Alle drei vermissten Frauen hatten mehrere Dinge mit Aronson gemeinsam: Alle waren Blondinen, alle waren Anfang zwanzig, alle hatten etwas mit Kunst zu tun – vornehmlich mit Malerei. Alle drei Mädchen in der Menomonie-Akte hatten bis kurz vor ihrem Tod ein Kunststudium absolviert. Das traf auf Aronson nicht zu, aber da sie jung und künstlerisch tätig gewesen war, konnte man davon ausgehen, dass sie vor noch nicht allzu langer Zeit ebenfalls eine Ausbildung auf diesem Gebiet erhalten hatte. Und alle vier, überlegte er, hatten entweder zur Zeit ihres Todes oder kurz davor in Kleinstädten gelebt. Kleinstädte gab es nun aber im südlichen Minnesota und im Westen des angrenzenden Wisconsin zu hunderten, und diese Übereinstimmung war vielleicht nur vor dem Hintergrund zu sehen, dass junge Frauen aus Kleinstädten unbefangener Bekanntschaften schlossen als vorsichtigere Mädchen aus Großstädten. Eine vage Vermutung …
Sein Merkzettel enthielt schließlich folgende Punkte:
– Professoren/Lehrer an den Universitäten/Kunstschulen, bei denen die Mädchen studiert haben, unter die Lupe nehmen; überprüfen, ob Vorstrafen wegen sexueller Delikte vorliegen.
– Wenn sich dabei nichts ergibt, Teilnehmerlisten der Mitstudenten auf Sexualdelikte überprüfen.
– Zusammenstellung aller Meldungen über vermisste junge Blondinen im südöstlichen Minnesota und westlichen Wisconsin in den vergangenen zehn Jahren.
Was war mit den Zeichnungen? Der Mörder Aronsons – wenn er denn mit dem Zeichenkünstler identisch war –, schien unter dem psychischen Zwang zu stehen, die Zeichnungen anzufertigen. In der Menomonie-Akte gab es keinen Hinweis auf Zeichnungen – was aber nicht bedeutete, dass es keine gegeben hatte. Der Killer konnte sie nach den Morden an sich genommen haben …
Er ging weiter die Akte durch, Seite
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