Toedlicher Gesang
Glastür,
durch die man allerdings nicht hindurchschauen konnte. Der Schriftzug
„Psychiatrie - Bitte Klingeln“ war auf einen Zettel geschrieben und an die Tür
geklebt wurden. „Uns bleibt ja nichts anderes übrig“, stellte Emily fest und
klingelte. Die Tür öffnete sich ein Stück und eine Krankenschwester schaute die
beiden durch den Spalt fragend an. „Wir wollten auf unsere Freundin warten, sie
besucht gerade jemanden“, erklärte Emily freundlich. Die Tür schloss sich
wieder, man hörte ein paar Ketten klirren und die Tür öffnete sich ganz. Der Flur,
den sie sahen, war grau in grau. Die Decke, der Fußboden, die Wände, alles war
grau. Nur die Zimmertüren, die meisten von außen verriegelt, waren knallrot mit
großen schwarzen Zahlen darauf. Neben einem kleinen Glaskasten, hinter dem sich
ein kleiner Raum befand, standen ein paar Stühle, auf die die Krankenschwester
wortlos zeigte. Die beiden Mädchen setzten sich und lauschten. Der Gang machte
einen Knick, dahinter konnten sie hören, wie Kira mit mehreren Männern sprach. Da
die Schwester wieder verschwunden war, schlichen sich Dascha und Emily zu der
Ecke und beobachteten neugierig aber vorsichtig, was vor sich ging. Kira stand
mit einem Arzt im weißen Kittel und zwei großen starken Männern, offensichtlich
Sicherheitspersonal, vor einer von außen mit mehreren Schlössern gesicherten
Tür, auf der eine fette „11“ angebracht war. Nach einer Weile schüttelte der
Arzt ratlos den Kopf, dann zog er einen Schlüssel hervor und öffnete erst die
Schlösser dann die Tür. Kaum war die Tür offen, sprang Koko heraus. Emily und
Dascha schrien erschrocken auf. Koko hatte eine merkwürdig verkrampfte Körperhaltung,
ihre roten Augen waren von dicken blauen Rändern unterzeichnet. Ihre Lippen und
ihr Gesicht waren weiß. Sie grinste schief, begann zu lachen und schlug sofort
nach Kira, die aber nur erschrocken und fassungslos stehen blieb. So erwischte
Koko sie im Gesicht und Kira taumelte nach hinten. Klirrend fiel einer ihren
pinken Herzohrringe zu Boden, gefolgt von einem kleinen Schwall Blut. Die
beiden Sicherheitsmänner schnappten sich Koko sofort wieder und versuchten sie
mit vereinten Kräften zurück ins Zimmer zu schieben. Kira stand einfach nur da,
fünf tiefe blutende Wunden von Kokos Fingernägeln im Gesicht. Außerdem floss
Blut von ihrem Ohrläppchen ihren Hals herunter und färbte ihr pinkes Oberteil
rot. Fassungslos schaute sie zu, wie die beiden Sicherheitsmänner kämpfen
mussten, um die brüllende, gurgelnde und abwechselnd kreischende und lachende
Koko wieder in ihr Zimmer zu verfrachten. Als sie es geschafft hatten, kam
schnell der Arzt aus seiner Ecke, in die er sich verkrochen hatte, hervor und
schloss hastig alle Schlösser wieder zu. „Tut mir leid, junge Dame, aber ich
habe dich gewarnt. Dieses Mädchen ist komplett durchgedreht“, sagte er kopfschüttelnd,
dann ging er, gefolgt von den Sicherheitsleuten, und ließ sie stehen. Dascha
und Emily liefen schnell zu ihr. Kiras Ohrläppchen war gerissen, ihr Gesicht
entstellt. Doch sie stand wie vorher nur schweigend da und starrte die Tür an,
hinter der man Koko noch toben hörte. Als ihr dann plötzlich Tränen aus den
Augen schossen, über ihr Gesicht liefen und mit dem Blut vermischt zu Boden
fielen, nahm Emily sie sanft an der Schulter und führte sie hinaus. Dascha hob
noch den Ohrring auf und folgte schweigend.
Der Rückweg zum Internat
lief wortlos ab. Das Einzige, was sie erreicht hatten, waren noch mehr Puzzlestücke,
die nicht wirklich zusammenpassen wollten. Und eine offensichtlich unter Schock
stehende Kira mit einem entstellten Gesicht und blutgetränkten Klamotten. Sie
brachten Kira in ihr Zimmer, das sie sich eigentlich mit Koko teilte. Immer
noch schweigend warteten sie, bis Kira wieder aus dem Badezimmer kam. Diese
umarmte die beiden und legte sich dann wortlos in ihr Bett. Sie zog sich die
Decke über den Kopf und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand, um nicht auf
ihrer schmerzenden Seite liegen zu müssen. „Ich lege dir deinen Ohrring hier
hin“, sagte Dascha noch und legte ihn auf Kiras Schreibtisch, bevor sie und
Emily das Zimmer verließen. Ein leises Danke ertönte, dann war Kira wieder
still. Kaum hatten sie die Tür hinter sich zugezogen, fiel ihnen auf, dass
Cindy an der gegenüberliegenden Wand stand. „Ich habe es euch doch gesagt. Sie
ist ein Monster. Ihr könnt sie nicht retten“, sagte sie vorwurfsvoll. „Ok
Cindy. Dann anders gefragt;
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