Toedlicher Hinterhalt
darauf eingestiegen. Und schließlich hatte eins zum anderen geführt und nun standen sie hier. In ihrem schäbigen Haus in dem Viertel von Baldwin’s Bridge mit den niedrigen Mieten. In ihrem schäbigen Wohnzimmer. Und sie war im Begriff, ihm einige der schäbigen Aufnahmen zu zeigen, die sie in den letzten Jahren mit ihrer schäbigen Instamatic gemacht hatte.
Auf dem Küchentisch lag ein Päckchen von Angelas Zigaretten. Mallory konnte es sich gerade so verkneifen, eine anzuzünden.
David schaute immer wieder auf das schreckliche Stillleben, als ginge eine Ansteckungsgefahr davon aus.
»Mein Großvater hat das gemalt«, behauptete sie. »Ziemlich gut, hm?«
David sah erst Mallory und dann wieder das Bild an. »Erstaunlich«, murmelte er. Dann beugte er sich vor, um die Pinselstriche zu begutachten. »Es ist wirklich grässlich. Ein künstlerischer Albtraum. Dein Großvater –«, er deutete auf die Signatur, »– Mary Lou Brackett ist eindeutig ein Genie.«
Erwischt! Mallory grinste ihn an. »Opa Mary Lou war ziemlich exzentrisch. Absolut brillant, aber zerrissen. Verständlicherweise.«
»Sein verwirrter Geisteszustand spiegelt sich eindeutig in seiner Kunst wider.«
Er hatte einen schrecklichen Haarschnitt und eine hässliche Brille, aber in seinen Augen lag stets etwas Warmes und Kluges. Er mochte sie. Das konnte sie ihm ansehen. Doch er hatte nicht diesen leicht glasigen Blick, den die meisten Typen bekamen, wenn sie mit ihr sprachen. Er war nicht hier in ihrem Haus, um bei ihr zu landen. Er mochte es, Zeit mit ihr zu verbringen. Er war hier, weil er hören wollte, was sie zu sagen hatte, und um ihre Fotos zu sehen.
David kümmerte es nicht, wie ihr Zuhause aussah – na und, dann war es eben das kleinste, mieseste Haus in ganz Baldwin’s Bridge. Das schien ihn nicht im Geringsten zu interessieren.
»Könnten wir uns deine Fotos in der Küche ansehen, Nightshade?«, fragte er. »Opa Mary Lous Obstschale ist einen Tick zu überwältigend.«
»Da hängt auch so eins«, warnte sie ihn. »Das ist noch schlimmer.«
» Schlimmer?«
»Es sind insgesamt sechs … Erbstücke«, gab sie zurück. »Die besten haben wir natürlich im Wohnzimmer aufgehängt.«
David ging in die Küche. »Oh Gott«, hörte sie ihn sagen, bevor er zu lachen anfing. »Opa Mary Lou hat das hier mit dem Namen Elizabeth Keedler signiert. Entweder hatte er eine Persönlichkeitsstörung, oder er wollte in die Kunstfälschung einsteigen.«
»Indem er Elizabeth Keedler, die bis jetzt noch unbekannte Königin des Motel-Ölgemäldes, kopiert?«, fragte Mallory so laut, dass er es hören konnte. »Er war extrem gewitzt.«
David kam aus der Küche. »Und ihr habt sechs von denen, sagst du?«
»Genau. Komm mit, in meinem Zimmer ist es – zumindest relativ – sicher.«
Sie ging ihm voran den Flur entlang. Ihr Zimmer war winzig, doch es gehörte ihr ganz allein. Ihre Fotoalben standen im Bücherregal, und sie zog das aktuellste von ihnen heraus.
David blieb im Türrahmen stehen und fühlte sich plötzlich sichtlich unwohl. »Weißt du, ich hab bloß einen Witz gemacht. Es stört mich nicht, wenn wir uns ins Wohnzimmer setzen.«
Sie beobachtete, wie er sich im Raum umsah und den Blick über ihr schmales Bett, die Kommode, den kleinen eingebauten Schreibtisch sowie die schräge Decke schweifen ließ. Das Zimmer war nachträglich hinten an das Haus angebaut worden und hatte einmal als Geräteschuppen oder Vorratskammer gedient. Einer von Angelas Freunden hatte es vor gut zehn Jahren mit einem Fenster versehen. Er war nicht ganz damit fertig geworden, bevor sie sich trennten, deshalb hatte Mallory die Fensterbank selbst gestrichen. Schwarz glänzend. Es war immer noch das Beste am ganzen Zimmer.
David betrachtete die Filmposter und Bilder, die jeden Zentimeter Wand bedeckten, er begutachtete die Bücher, die auf dem übervollen Regal standen und in wackeligen Stapeln auf dem Fußboden lagen.
Und dann sah er sie an, wie sie im Schneidersitz auf dem Bett saß.
»Komm ruhig rein«, forderte sie ihn auf. »Ich weiß, dass du nicht über mich herfallen wirst oder so was.«
Er nickte plötzlich so ernst, als hätte sie ihm gerade eine Medaille dafür verliehen, dass er die Rebellen-Allianz vor dem Todesstern gerettet hatte. »Okay. Gut. Ich … bin froh, dass du das weißt.«
Er ließ ihre Tür sperrangelweit offen und zog den Stuhl unter ihrem Schreibtisch hervor. Seinen neonfarbenen Rucksack nahm er ab, doch statt ihn auf den Fußboden
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