Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedlicher Hinterhalt

Toedlicher Hinterhalt

Titel: Toedlicher Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Brockmann
Vom Netzwerk:
in den Schutz von Cybeles Haus getragen worden, wobei er durch seine bloße Anwesenheit eine Gefahr für sie alle dargestellt hatte.
    Schwer verletzt verlor er immer wieder das Bewusstsein, sein aristokratisch gut aussehendes Gesicht war blass und von Schmerz gezeichnet, sein blondes Haar mit Blut und Dreck verklebt. Ein gefallener Prinz. Cybeles medizinische Fertigkeiten waren bei ihm gefragt, deshalb hatte man ihn unter großem Risiko den ganzen Weg von der Front zu ihnen gebracht.
    Wenn die Deutschen ihn hier fänden, würden sie ihn als Gefangenen nehmen und sie alle dafür hängen, dass ihm Unterschlupf gewährt worden war.
    Und dennoch hatte Joe bei seinem Anblick keinen Hass, sondern vielmehr Hoffnung empfunden.
    Die Amerikaner waren in Frankreich gelandet. Die Invasion der Alliierten, für die er selbst so hart gearbeitet hatte, war genau so abgelaufen wie geplant.
    Es würde nicht mehr lange dauern, bis das Kampfgeschehen an ihnen vorbeibrandete und die kleine Stadt Ste.-Hélène von der Besetzung durch die Nazis befreit wäre .
    Nicht mehr lange, und die wenigen noch verbliebenen jüdischen Familien, die in der Stadt in Häusern wie dem von Cybele versteckt wurden, könnten hinaus ins Sonnenlicht treten.
    »Legt ihn auf den Tisch«, ordnete Cybele in einem Französisch an, das wie ein Schnellfeuer klang. Sie band ihr dunkles, langes Haar zurück, bevor sie sich rasch in der Küchenspüle wusch. »Ich brauche heißes Wasser. Marie, ein Feuer. Pietra, Verbandszeug und Seife. Zieht ihm die Uniform aus. Giuseppe?«
    Sie sah mit einem Funkeln in den dunkelbraunen Augen hoch zu Joe, der nickte, als der amerikanische Soldat – ein Army-
Lieutenant – auf den massiven Holztisch gelegt wurde. Seine Uniform – all seine Kleidung, auch die Militär-Unterwäsche – müsste man schnell wegbringen. Falls die Nazis ihnen einen Besuch abstatten sollten, wäre dieser Mann ohne diese Sachen bloß ein Mensch vom Land, ein Bauer, der zwischen die Fronten des Krieges geraten war, der jeden Tag näherrückte.
    Joe sammelte die Uniform und die Erkennungsmarke des
Lieutenants ein. »Charles Ashton«, las er laut, bevor er alles zusammenschnürte. Die Kleidung war blutverschmiert, doch er konnte es nicht riskieren, sie zu waschen, nicht sofort zumindest. Erst einmal musste er sie vergraben, tief genug, dass die hungrigen Hunde, die in der Stadt herumstreunten, nicht das Blut riechen und alles ausbuddeln würden.
    Einer der Lucs – es gab zwei in Cybeles privater Truppe – brachte Decken, um Ashton zuzudecken, doch Cybele legte sie beiseite. Es war eine warme Sommernacht und sein Körper schweißfeucht, sodass sie ganz sicher keine Verwendung für sie hatte.
    Die Französin war gerade einmal einundzwanzig Jahre alt, doch fremde Männer nackt und blutend zu sehen schien in diesem Haus, das sie einmal mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn geteilt hatte, schon zur Normalität geworden zu sein.
    Soweit Joe es erkennen konnte, hatte es Ashton dreimal erwischt. Er war in die Schulter, in die Seite und in den Oberschenkel getroffen worden. Die Verletzungen an den Gliedmaßen sahen schon übel genug aus, doch ein Schuss in die Eingeweide kam ohne einen Chirurgen in der Nähe praktisch einem Todesurteil gleich. Es sei denn …
    »Die Kugeln stecken noch drin.« Cybele, die gerade die Wunden untersuchte, schaute hoch. »Das ist gut. Die Munition, die ihn getroffen hat, war vergeudet. Vielleicht können wir ihn retten.«
    Demnach musste sich der Lieutenant gerade noch so in der Schussweite der Deutschen befunden haben, als sie auf ihn feuerten. Er war getroffen worden, doch die Kugeln hatten nicht mehr genug Durchschlagskraft besessen, um ihn zu durchbohren. Sie waren lediglich in seinem Körper stecken geblieben, ihr Flug gestoppt durch Muskeln und Gewebe.
    »Das heißt, wenn ich diese Kugeln rausbekomme«, fuhr Cybele fort, »und eine Infektion verhindern kann …«
    Sie schaute Joe an und wirkte plötzlich erschöpft und viel älter, als sie tatsächlich war. Infektionen hatten ebenso viele Leben gekostet wie deutsche Patronen. Ohne ein Krankenhaus und einen richtigen Arzt würde dieser Soldat voraussichtlich sterben. Dass die Kugeln stecken geblieben waren, hatte die Antwort auf die Frage, ob er überlebte, nur von ausgeschlossen zu unwahrscheinlich verlagert.
    Joe berührte sie an der Schulter und spürte die angespannten Muskeln, als er ihren Arm drückte. Sie hatten sich schon zuvor dem Unwahrscheinlichen gestellt und gewonnen.

Weitere Kostenlose Bücher