Toedlicher Hinterhalt
gewöhnlichen Bauern.
Viel öfter waren es einfache Leute wie Cybele, die Lucs, Dominique – oder Joe –, die sich weigerten, die Hände in den Schoß zu legen und Hitler und seine widerwärtige SS ungehindert in Europa walten zu lassen.
Als er sich angeekelt abwandte, ließ Cybele auf Französisch einen Wortschwall vom Stapel, der sogar für Joe fast zu schnell gesprochen war. Doch er schaffte es, das meiste davon zu verstehen. Nachdem sie geendet hatte, betrachtete er Charles mit neuerlichem Respekt. Doch wenn es nicht Cybele gewesen wäre, hätte er es nicht geglaubt.
»Sie sagt, Sie hätten fünfundzwanzig Kindern und zwei Nonnen das Leben gerettet«, übersetzte Joe. So handelte kein Mann, der nur daran dachte, sich möglichst unauffällig zu verhalten, um seine eigene Haut zu retten. »Die Schwestern hatten sich in dem Glauben, dass sie weit genug von den Kampfhandlungen entfernt wären, mit den Kindern im Keller der Himmelfahrtskirche hoch oben im Norden versteckt. Doch die Alliierten – die Männer in Ihrem Bataillon – durchbrachen die deutschen Verteidigungslinien, und die Kämpfe verlagerten sich in dieses Gebiet. Damit wurde auch die Kirche zum Angriffsziel. Sie und drei weitere Amerikaner haben Ihr Leben riskiert, um den Kindern zu Hilfe zu eilen.«
Einen kurzen Moment lang ging Joe davon aus, Charles würde alles abstreiten. Doch dann schüttelte dieser nur den Kopf und presste die Lippen zusammen. »Es war dumm. Genauso gut kann man auf einen Schießstand laufen.«
»Es tut mir sehr leid, dass Ihre Freunde dabei getötet wurden«, murmelte Cybele in solidem Englisch, aber mit einer unglaublich schlechten Aussprache.
Charles verstand sie dennoch. »Das waren nicht meine Freunde, sondern nur irgendwelche armen Trottel, denen ich befohlen hatte, mit mir zu kommen. Ich habe ihnen noch nicht einmal die Wahl gelassen.« Er blickte mit einem unerbittlichen Ausdruck in den Augen hoch zu Joe. »Sagen Sie ihr das. Pahrlee wu on Frang-seh, und sorgen Sie dafür, dass sie das kapiert!«
Joe übersetzte leise. Ihm war bewusst, dass ihm in dieser hitzigen Unterredung zwischen Cybele und dem Amerikaner bloß die Rolle des Dolmetschers zukam.
»Teile ihm mit, dass alle Kinder noch am Leben sind«, wies Cybele ihn an. »Sogar der kleine Junge, wegen dem er noch einmal zurückgelaufen ist, hat es geschafft.«
Joe konnte ihr die Gefühle von den Augen ablesen und wusste, dass sie gerade an ihren eigenen Sohn Michel dachte. Den Zweijährigen hatte niemand gerettet, als er bei einer der wenigen Gelegenheiten, als Widerstand gegen die deutsche Invasion aufflammte, ins Kreuzfeuer geraten war. Seinen Vater, Cybeles Mann, hatte es zuerst erwischt. Das arme Kind war sicher ganz allein und in Todesangst gewesen, bevor die Explosion sein eigenes, viel zu kurzes und so kostbares Leben beendet hatte.
Joe vermochte den Ausdruck, der in Charles Ashtons Augen trat, als er Cybeles Worte auf Englisch wiederholte, nicht zu deuten.
»Sagen Sie ihr, sie soll mich nicht so ansehen«, meinte der Amerikaner grimmig, während er selbst noch immer Cybele anstarrte. »Ich bin kein gottverdammter Held. Erklären Sie ihr, dass ich nicht weiß, was an dem Morgen über mich gekommen ist, und dass ich es nicht wieder tun würde, nicht einmal für eine Million Dollar.«
Während Joe Charles Aussage übersetzte, lachte Cybele leise und drehte sich zum Gehen um. »Verrat es ihm nicht«, teilte sie Joe mit, »aber ich glaube ihm nicht.«
»Das habe ich verstanden«, rief Charles ihr nach, als sie schließlich das Zimmer verließ. »Je comprende – aber Sie liegen falsch. Ich bin nicht wie Sie.«
Sie rief den anderen zu, sie sollten nach unten kommen, damit sich der Amerikaner ausruhen konnte. Wie immer wirkte der Raum ohne sie viel dunkler. Die Luft schien heißer und schwerer geworden zu sein. Dominique und beide Lucs folgten ihr stumm. Auch Joe war im Begriff, zu gehen, doch Charles legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Ich bin nicht wie Sie«, wiederholte dieser noch einmal. »Wozu gehören Sie überhaupt? Zum OSS ?«
»Je weniger Sie über jeden von uns wissen, desto besser ist es«, erklärte Joe ihm. »Für Sie und für uns.«
»Ups, dabei habe ich gehört, wie Cybele Sie Guiseppe genannt hat. Sie brauchen mich jetzt nicht deswegen umzubringen, Joe.«
»So lange dieser Krieg nicht zu Ende ist und ich mich hier befinde, bin ich Italiener und kein Amerikaner. Gewöhnen Sie es sich nicht an, mich Joe zu nennen. Falls doch, könnte
Weitere Kostenlose Bücher