Toedlicher Hinterhalt
Mal übersetzte er ziemlich frei. »Er wird gehen, wenn du sagst, dass er bereit dazu ist.«
Kelly saß vollkommen überfordert hinter ihrem Schreibtisch. Ihr war klar, dass sie Prioritäten setzen und die Unterlagen dementsprechend sortieren musste. Doch sie konnte sich kaum dazu motivieren, den Papierkram zu erledigen, nachdem sie mehr als zwei Stunden lang mit Betsy McKennas Eltern gesprochen hatte.
Gott, was für ein Albtraum … Brenda und Robert McKenna waren förmlich in sich zusammengesackt, als sie von den positiven Testergebnissen ihrer Tochter erfahren hatten. Ihr Kind litt an Leukämie. Selbst die Tatsache, dass die Überlebenschancen besser denn je standen, nahm der Möglichkeit, dass die McKennas ihr geliebtes Kind verlieren könnten, nicht ihren Schrecken.
Zwar waren sie schließlich gegangen, doch der verstörte Ausdruck in ihren Augen machte Kelly noch immer zu schaffen. Dr. Martin, der Chefarzt der Onkologie im Kinderkrankenhaus, würde erst ab sechs Uhr Zeit für die Familie haben, und eigentlich brauchte Kelly nicht dabei zu sein, doch Brenda hatte sie gebeten, auch zu kommen.
Es würde kein Spaß werden, die medizinischen Details und Risiken der Behandlung zu erläutern.
Während Kelly so an ihrem Schreibtisch saß, kam ihr der Papierkram, den sie vor sich liegen hatte, vollkommen irrsinnig und unwichtig vor.
Sie legte den Kopf auf einen Stapel Akten. Ja, das war mit Sicherheit ein viel besserer Verwendungszweck dafür.
Als unvermittelt ihr Telefon zu klingeln begann, setzte sie sich ruckartig auf. Jemand rief auf ihrer Privatnummer an. Besorgt nahm sie ab. »Dad?«
»Äh, nein, ich bin es, Tom.«
»Oh Gott, was ist passiert? Ist mein Vater –«
»Whow, warte, es ist alles in Ordnung … Meine Güte, tut mir leid, Kel, ich bin nicht mal auf die Idee gekommen, dass du denken könntest, es gäbe irgendein Problem, wenn ich anrufe.«
Kelly hatte vor Schreck die Luft angehalten, doch nun atmete sie stoßartig aus. »Sorry«, sagte sie dann. » Mir tut es leid. Ist ja meine Schuld, wenn ich dermaßen überreagiere.«
Bei dem Anrufer handelte es sich um Tom Paoletti. Er hatte sie angerufen – aber nicht etwa, weil ihr Vater krank war und sie brauchte. Mit einem Mal begann ihr Puls aus ganz anderen Gründen zu rasen.
»Also«, er lachte leise, »jetzt fühl ich mich wirklich blöd, denn es gibt gar nichts Wichtiges. Das Ganze hätte auch ruhig warten können, bis du wieder zu Hause bist. Ich wollte nur fragen, ob …«
Die Zeit schien für einen Moment stillzustehen, während ihr unzählige verführerische Möglichkeiten einfielen.
»… ich mal deinen Computer benutzen dürfte, um ins Internet zu gehen«, beendete Tom den Satz.
»Oh«, rutschte es Kelly heraus, und die Enttäuschung legte sich förmlich um sie wie eine klamme Decke. Er wollte nur ihren PC benutzen. Er hatte nicht vor, mit ihr tanzen, ins Kino oder Abend essen zu gehen, geschweige denn die ganze Zeit über wilden Sex mit ihr haben. »Also, sicher. Ja. Kein Problem.«
»Ich werde mich als Gast anmelden und natürlich nur meinen eigenen Account benutzen.«
»Natürlich«, wiederholte sie. »Du kannst ihn so lange verwenden, wie du möchtest, und wann immer du möchtest.«
»Danke«, antwortete er. »Ich weiß das wirklich zu schätzen.«
»Genau genommen«, begann sie zögerlich, »bin ich nicht ganz sicher, wann ich wieder zu Hause sein werde. Ich habe um sechs noch einen Termin, der eine Weile dauern könnte. Ich werde Mrs Lerner anrufen und fragen, ob –«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Ich werde so lange bei deinem Vater bleiben, wie du mich brauchst.«
Kelly schloss die Augen. »Danke.«
Es entstand eine klitzekleine Pause, dann sagte er: »Nun, also, ich möchte dich nicht länger aufhalten …«, und genau im selben Moment begann sie: »Weißt du Tom, ich hab mich gefragt …«
Es war so weit. Sie würde es tun. Sie würde Tom fragen, ob er mit ihr essen ging. Sie würde ihn um ein Date bitten.
»Oh«, meinte er lachend. »Entschuldige. Was wolltest du gerade sagen?«
Starre. Ihr gesamtes Herz-Kreislauf-System schien plötzlich wie vereist zu sein.
»Ähm, ich habe mich gefragt, ob du weißt, dass der Computer in meinem Schlafzimmer steht«, erklärte sie ihm. Huhn … Mein Gott, was war sie nur für ein feiges Huhn! »Und da dachte ich mir, ich sage dir besser, wo er ist, damit du nicht das ganze Haus durchsuchen musst.« Sie schloss die Augen und zuckte innerlich zusammen. Sie war nicht nur ein
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