Toedlicher Hinterhalt
hätte ihm nun zu Fuß folgen können, aber er würde sich wohl nicht gerade unauffällig verhalten, wenn er hinter einem Fahrrad herhastete.
Es sei denn …
Er trug Shorts, Sneakers und ein T-Shirt. Sofern der dunkelhaarige Mann also nicht allzu schnell fuhr …
Tom begann, die Straße so schnell entlangzujoggen, dass es noch nach einem lockeren Trainingslauf aussah.
Für eine Kleinstadt tobte in Baldwin’s Bridge der Bär. Die Uhr zeigte bereits halb zwölf an, und das gesamte Zentrum von Honey Farms, vorbei am Hotel und am Jachthafen, bis hinunter zum Strand war hell erleuchtet und voller Menschen. Scharen von Touristen, Urlaubern und Highschoolschülern bummelten durch die idyllischen Kopfsteinpflastergassen. Vom Jahrmarkt unten bei der Kirche am Strand schallte Musik herüber und verlieh der Stadt eine noch festlichere Atmosphäre.
Der Dunkelhaarige auf dem Rad bewegte sich etwas schneller vorwärts als die meisten Spaziergänger. Selbst derart gut gepflegtes Kopfsteinpflaster wie das in Baldwin’s Bridge konnte für einen Fahrradfahrer die Hölle sein. Das wusste Tom aus Erfahrung. Wenn man zu schnell fuhr, fühlte man sich, als würden einem die Eier von einem Farbmixer im Baumarkt durchgerührt.
Allerdings musste Tom plötzlich Gas geben, als der Mann in die Webster Street abbog und auf den Strand zum Jahrmarkt zufuhr, da die Straße normalen Belag besaß und leicht abschüssig verlief. Als er unten ankam, rannte er bereits so schnell er konnte, doch der dunkelhaarige Mann gewann immer mehr Abstand zu ihm.
Toms T-Shirt war mittlerweile durchgeschwitzt, und seine Beine sowie die Lunge brannten. Seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus hatte er nicht so oft gejoggt, zumindest nicht dermaßen schnell und nie so weit. In den letzten paar Tagen war er wegen seiner Kopfschmerzen sogar überhaupt nicht laufen gewesen. Und trotzdem hätte es ihm nichts ausmachen dürfen. Im Vergleich zu den Läufen, die er regelmäßig mit Team 16 absolviert hatte, war das hier ein Spaziergang. Großer Gott, da hatte man ein paar Monate frei, und alles war vorbei.
Das Hämmern in seinem Vorderkopf nahm nun merklich zu, genau genommen spürte er direkt hinter seinem linken Auge einen stechenden, puckernden Schmerz. Tom geriet leicht ins Straucheln, als die Straße sich vor ihm zu heben und zu kippen schien.
Er zwang sich, den Blick auf den dunkelhaarigen Mann gerichtet zu lassen. Dieser war nun wieder etwas langsamer geworden, da sich rund um den Eingang zum Kirchenparkplatz eine Menschentraube gebildet hatte, aber auch Tom musste abbremsen.
In seinen Ohren rauschte es, und um ihn herum drehte sich alles.
Einen Fuß vor den anderen setzen … Er hatte das schon zuvor getan – und er würde es wieder schaffen.
Musik dröhnte aus Lautsprechern und Marktschreier brüllten dagegen an, um die Aufmerksamkeit der Leute zu gewinnen.
Zu dem Gedränge kamen noch die grellen Lichter der Fahrgeschäfte, die sich schwindelerregend schnell drehten, sodass Tom kaum fokussieren, kaum etwas zu sehen vermochte.
Angestrengt hielt er nach dem dunkelhaarigen Mann Ausschau, doch der war weg, verschwunden im Trubel der Menschenmenge.
Doch Tom wollte nicht aufgeben oder war vielleicht auch einfach nicht in der Lage dazu und schleppte sich weiter. Das Gesicht einer Mutter, die missbilligend die Stirn runzelte, erschien kurz in seinem Blickfeld, als ein Junge mit weit aufgerissenen Augen schnell aus dem Weg gezerrt wurde.
Er brauchte …
Er wollte …
Er musste raus aus der Menge, also schob er sich zu einer freien Stelle neben einer Bude durch, an der Essen verkauft wurde. Er rang nach Luft, atmete jedoch nur den furchtbar süßen Geruch von gebratenem Teig ein.
Die Hände auf die Knie gestützt, versuchte er wieder zu Atem zu kommen und das Gleichgewicht wiederzufinden, damit die Welt sich nicht weiter um ihn drehte und die Lichter aufhörten zu schwanken.
Und da stand es.
Ein Fahrrad. Es lehnte am Geländer einer Walzerbahn. Tom war sich nicht ganz sicher, aber mit großer Wahrscheinlichkeit handelte es sich um das Rad des dunkelhaarigen Mannes. Er konnte den Blick nicht genug fokussieren, um es ganz deutlich zu erkennen.
Also bewegte er sich darauf zu und mischte sich auf der Suche nach dem Mann wieder unter die Leute. Verdammt, wo blieben denn die gleißenden Lichter der Fahrgeschäfte, wenn man sie mal brauchte? Die Menschen, die an der Walzerbahn Schlange standen, befanden sich im Dunkeln und schienen deshalb alle dunkle Haare
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