Tödlicher Irrtum
gehen; die südamerikanische Aktiengesellschaft, bei der er viel Geld angelegt hatte, brach zusammen, dann ging das Fahrradzubehörgeschäft Pleite, an dem er sich beteiligt hatte. In beiden Fällen war die Grundidee gut gewesen, aber es hatte mit der Finanzierung nicht geklappt. Er war vom Pech verfolgt, und unlogischerweise schob er Mrs Jackson die Schuld an allem zu, weil er das Gefühl hatte, dass sie nicht wollte, dass er Erfolg hatte.
Schließlich war er noch erkrankt, und es schien die einzige Lösung ihrer Schwierigkeiten zu sein, im Sonneneck zu leben. Ihm wäre es ganz recht gewesen, er war ja nur noch ein halber Mann, ein Krüppel; es kam nicht mehr darauf an, wo er lebte, aber Mary wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen.
Nun, dieses Problem war durch Mrs Jacksons Tod mit einem Schlag gelöst worden. Die Vermögensverwalter des Trustfonds hatten Marys Rente erhöht, und sie waren wieder unabhängig. Der Tod von Mrs Jackson hatte ihn nicht besonders erschüttert. Natürlich wäre es ihm lieber gewesen, sie wäre an Lungenentzündung oder sonst irgendeiner Krankheit ruhig in ihrem Bett gestorben. Mord war eine höchst unerfreuliche Sache mit noch unerfreulicheren Begleiterscheinungen wie endlosen Verhören und balkendicken Schlagzeilen in den Boulevardblättern. Und morgen würde Superintendent Huish erneut kommen und Fragen stellen – ruhig, freundlich, aber nichtsdestoweniger hartnäckig. Man sollte sich besser jetzt schon überlegen, was man zu antworten hatte…
Mary bürstete ihr langes, blondes Haar vor dem Spiegel. Ihre ruhige, kühle Art irritierte ihn.
»Hast du deine Antworten für morgen bereit, Polly?«, fragte er. Sie sah ihn erstaunt an.
»Superintendent Huish wird morgen herkommen und euch alle noch mal fragen, wo ihr euch am Abend des neunten Novembers aufgehalten habt.«
»Ach so. Es ist schon so lange her, dass man sich kaum erinnern kann.«
»Aber er kann sich erinnern, und darauf kommt es an, Polly! Die Polizei hat damals alle eure Aussagen zu Protokoll genommen… in deinem Fall war nicht viel zu notieren, du warst mit mir in diesem Zimmer, und ich würde dir raten, nicht zu erwähnen, dass du es zwischen sieben und halb acht verlassen hast.«
»Ich bin doch nur ins Badezimmer gegangen, und das kommt bekanntlich in den besten Familien vor«, sagte Mary.
»Ich erinnere mich jedenfalls genau, dass du es damals nicht erwähntest.«
»Wahrscheinlich, weil ich es vergessen hatte.«
»Ich hielt es eher für Selbsterhaltungstrieb und erwähnte es deshalb auch nicht. Wir waren ab halb sieben hier und haben Pikett gespielt – bis Kirsty den Alarm gab. Bei dieser Aussage bleiben wir.«
»Wie du willst, Liebling«, erwiderte sie seelenruhig.
Er beugte sich vor.
»Interessiert es dich denn gar nicht, zu erfahren, wer sie ermordet hat? Micky hat ganz Recht: Einer von uns muss der Täter sein.«
»Weder du noch ich«, erwiderte Mary trocken.
»Und damit ist der Fall für dich erledigt, nicht wahr? Du bist ein wunderbares, seltsames Geschöpf, Mary!«
Sie errötete leicht.
»Ich weiß nicht, was du meinst, Philip.«
»Wenn ihr ’ s nicht fühlt, ihr werdet ’ s nicht erjagen… Wie dem auch sei – ich bin neugierig.«
»Ich glaube nicht, dass die Polizei etwas herausfinden wird.«
»Schon möglich, da sie ja nur wenige Anhaltspunkte hat, aber wir sind in einer besseren Lage; wir kennen alle Beteiligten sehr genau, oder sagen wir, du kennst sie alle seit vielen Jahren. Wer könnte es, deiner Ansicht nach, getan haben?«
»Ich habe keine Ahnung, und ich habe nicht einmal Lust, darüber nachzudenken«, erwiderte Mary scharf.
»Vogel-Strauß-Politik«, kommentierte Philip.
»Welchen Sinn hat es herumzuraten? Es ist viel besser, nichts zu wissen, dann kann alles ruhig und schön beim Alten bleiben.«
»Das ist leider ein großer Irrtum, liebes Kind; das Unglück ist bereits geschehen.«
»Inwiefern?«
»Beginnen wir mit Hester. Ihr Freund, Dr. Donald Craig, macht sich große Sorgen. Er ist zwar nicht davon überzeugt, dass sie es getan hat, aber auch nicht vom Gegenteil. Er beobachtet sie heimlich, wenn er glaubt, dass sie es nicht bemerkt – aber sie bemerkt es! Sie mag schuldig sein oder nicht, aber da sich nichts beweisen lässt, wird Donald nie Gewissheit haben, und das ist entsetzlich.«
»Ich glaube, du bildest dir alles ein, Philip.«
»Leider nicht, Mary… Und was wird aus dem unglücklichen Leo? Die Hochzeit muss auf unabsehbare Zeit verschoben werden; die
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